jul

joined 1 year ago
[–] jul@discuss.tchncs.de 2 points 1 week ago

OP hat schon recht, leider schreibe ich die Antwort wahrscheinlich schon zu spät. Aber man braucht sich einfach nur das Monitor Video von Georg Restle, Tilo Jung und Nadia Zaboura über den heutigen Journalismus angucken, um zu dieser Erkenntnis zu kommen.

Hier ein paar Auszüge aus dem Transkript:

Die Chefebene des Journalismus besteht aus konservativen Kräften

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Nadia Zaboura (03:16): Wir haben es immer wieder und auch stärker mit nicht mehr ganz so pluralen Redaktionen zu tun, zumindest was die Chefebene, die Verantwortungsträger-Ebene anbelangt.

Georg Restle (03:23) Was heißt plural? Oder zu wenig plural?

Nadia Zaboura (03:30): Plural heißt, dass eine Vielzahl von verschiedenen Perspektiven auf einen Berichtsgegenstand geworfen werden. Dadurch, dass in Deutschland sehr stark die "homosoziale Reproduktion" in den Redaktionen weiterhin herrscht, v.a. in den Chefetagen und ich gender das explizit nicht, sehr stark eine Einseitigkeit in der Perspektivität und Positionalität vorherrscht. Genau aus dem Grund ist es schwierig, da von einer wirklich pluralen Redaktionskultur zu sprechen.

Georg Restle (04:03): Also politische Einseitigkeit und wenn ja, politisch einseitig in welche Richtung?

Nadia Zaboura (04:03): Jetzt kommen wahrscheinlich die Kritiker und sagen: "Aber man sagt, die Volontäre im Öffentlich-Rechtlichen sind alle linksgrün versifft. Da gab es eine Umfrage." Die nicht wirklich eine Umfrage war. Ich denke, jede Person, die sich mit dem Journalismus beschäftigt, v.a. aber Gespräche führt mit Journalistinnen und Journalisten im kompletten dualen System, in verschiedenen Redaktionen, mit verschiedenen Medienmarken und Formaten, wird den Eindruck haben, dass gerade in den Verantwortungspositionen eine eher konservative Stimmung vorherrscht. Was interessant ist, weil das öffentliche Bild, das nach außen vermittelt wird bzw. von außen auf gerade den Öffentlich-Rechtlichen übergestülpt wird, nicht mit dem übereinstimmt.

Qualitätsjournalismus ist tot

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Georg Restle (05:17): Ich würde einen Schritt zurückgehen. Tilo, in welchem Zustand befindet sich der Qualitätsjournalismus in Deutschland, in deinen Augen?

Tilo Jung (05:22): Er liegt, glaube ich, 3 m unter dem Boden. Er ist tot. Ich finde die Frage, die du am Anfang gestellt hast, wozu noch Journalismus, ist die falsche. Es gibt ihn nicht mehr. Ausnahmen bestätigen die Regeln, wie Nadia wahrscheinlich auch und du auch sagen würdest. Aber im Großen und Ganzen muss er wieder anfangen. Es gibt ihn in der Breite nicht mehr. Es gibt Prinzipien, Grundprinzipien des Journalismus, über die wir reden können, an die sich nicht gehalten wird. Je schwerwiegender das Thema ist, desto weniger wird sich an diese Prinzipien gehalten. Wenn wir das in anderen Berufen vergleichen würden, wenn ein Wissenschaftler sich nicht mehr an Grundprinzipien von Wissenschaft hält, macht er noch Wissenschaft? Nein. Wenn ein Handwerker sich nicht an seine handwerklichen Prinzipien, wie er zu arbeiten hat, sich nicht daran hält, ist das Handwerk oder Fusch?

Heutiger Journalismus ist Sterbebegleiter linker Errungenschaften und Wegbereiter des Faschismus

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Tilo Jung (08:00): Bei den größten Themen dieser Welt, die unsere Gesellschaft auszuhandeln hat, haben wir keinen Journalismus. Und das ist ein riesengroßes Problem. Und damit müssen wir klarkommen. Wir müssen aufhören noch zu tun, als ob es noch tollen Journalismus gibt

Georg Restle (08:42): Würdest du ernsthaft sagen, dass das, was wir auf dem Markt haben, was wir an journalistischen Produkten haben, was normalerweise unter Qualitätsmedien läuft, von SPIEGEL bis Süddeutsche über FAZ, name it, öffentlich-rechtliche Rundfunk, mal besser, mal schlechter, hast du gesagt. Würdest du sagen, der Zustand ist schlechter, als er es vor 10 oder 20 Jahren war?

Tilo Jung (09:00): Ja natürlich. Früher, früher war, sage ich mal, vor 100 Jahren, war der Journalismus noch ein Geburtshelfer von Demokratie, von Frauenwahlrecht, von Arbeitnehmerrechten, wahrscheinlich auch von Klimaberichterstattung, von Menschenrechten. Mittlerweile ist ein Journalismus im Groben, im Großen und Ganzen ein Sterbebegleiter von Demokratie, von Menschenrechten, von Arbeitnehmerrechten. Alle Errungenschaften, die wir die letzten 100 Jahre gegenüber der Macht, die wir zu kontrollieren haben, erreicht haben, da helfen wir aktuell der Macht und meinetwegen sogar Faschisten, diese Errungenschaften wieder abzubauen. Das ist das Gegenteil von Journalismus. Darum rede ich davon, dass der unter dem Boden liegt.

Machtstabilisierender Journalismus und Fake News: im Interesse der Eigentümer / Kapitalisten

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Nadia Zaboura (14:38): Da sind es v.a. im Öffentlich-Rechtlichen Formate wie Tagesschau und ZDFheute. Da, finde ich, sollte man genauer hingucken und eine tiefe Diskussion führen.

Georg Restle (14:45): Wenn wir über reichweitenstarken Journalismus reden, müssen wir nicht auch darüber reden, was Angebot und was Nachfrage ist? Dass oft beklagt wird, dass das, was wir als Ausnahmejournalismus, als guten Journalismus bezeichnet haben, deutlich weniger nachgefragt wird, als all das, was, sage ich mal, __als Behauptungsjournalismus, als machtstabilisierender Journalismus oder als Unterhaltung, was mit Journalismus oft nichts mehr zu tun hat, eher ideologiegetrieben, behauptungsgetrieben ist. Dass das schlicht erfolgreicher funktioniert und dass Medien deswegen auf diesen Zug setzen, auch vielleicht die Öffentlich-Rechtlichen zu stark. __

Tilo Jung (15:23): Ich erwarte gar nicht, dass private Medien da einen anderen Zugang haben. Ich erwarte von privaten Medien am allerwenigsten, sich an die Grundprinzipien von Journalismus zu halten. Die haben am Ende, und das wissen wir alle, die Prinzipien ihrer Eigentümer und die Interessen ihrer Eigentümer zu vertreten. Darum haben wir, und das meine ich mit den großen Fragen dieser Zeit, wirklich die Klimazerstörung, Kapitalismus, Faschismus, Ungleichheit, die wirklichen fundamentalen systemischen Probleme. Da erwarte ich gar nicht, dass wir von privaten Medien diese Probleme, damit konfrontiert werden und mit Lösungen konfrontiert werden, weil das ungemütlich ist. Weil das heißt, wir müssen an unserem ganzen demokratischen, ökonomischen System ran. Dass das, was wir die letzten 80 Jahre aufgebaut haben, dass das nicht mehr so weitergehen kann und nicht weiter so gehen darf. Dass die privaten Medien genau das Gegenteil tun und so tun, als ob der Kapitalismus, als ob das mit dem Klima usw., dass das alles so im Groben weitergehen kann, ist eine grobe Lüge. Es sind Fake News im ganz Großen. Wir lachen in der Merkel-Zeit von dem "Postfaktischen". Wir haben bei Trump uns über "Fake News" aufgeregt. Aber wenn es um die großen Dinge geht, berichten auch private Medien und auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk Märchen. Das muss aufhören. Wir haben die großen Fragen dieser Zeit. Davor scheuen wir uns, uns mit der Wahrheit und mit der Wissenschaft und mit den Erkenntnissen der Wissenschaft auseinanderzusetzen. Weil das ungemütlich ist, gerade für uns Deutsche. Weil damit eine große Frage, eine Lebenslüge dieses Landes enden muss.

Journalisten sind loyal gegenüber der Macht, weil sie ökonomisch von ihr abhängig sind

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Tilo Jung (26:11): Und unser Journalismus, der Mainstream, wie gesagt, leugnet oder verleugnet unsere fundamentalen, systemischen Probleme. Und die große Bevölkerung, wenn die damit nicht konfrontiert wird, dass wir diese fundamentalen, systemischen Probleme haben, sind sie viel leichter empfänglicher für die Rattenfänger von rechts, die genau das ausnutzen. Und dann wundern wir uns ständig, woher kommt das. Das ist ja böse usw. Dabei ist das einfach völlig nachvollziehbar, weil Faschisten nichts anderes machen, als das auszunutzen. Und uns ist gar nicht klar, was sie da ausnutzen, weil wir uns davor scheuen, uns mit den fundamentalen Problemen auseinanderzusetzen und stattdessen, wie wir im ARD-Hauptstadtstudio jeden Tag sehen können, uns mit der Tagespolitik ablenken, uns blind machen vor den wirklich großen Problemen. Und die Faschisten, die Rechtsextremisten, tun das nicht.

Georg Restle (27:10): Weil die Art der Berichterstattung, wie wir sie in den Mainstream-Medien, wie du es genannt hast, oder auch in den Qualitätsmedien z.T. haben, zu populistisch ist?

Tilo Jung (27:18): Nein, sie sind nicht der Allgemeinheit, sind nicht loyal gegenüber der Allgemeinheit, sondern im Großen und Ganzen gegenüber den Mächtigen.

Goerg Restle (28:10): Warum sind Journalisten, Journalistinnen, Redakteure, Redakteurinnen, Chefredakteure, Chefredakteurinnen, nicht in der Lage, die Probleme zu erkennen und damit dem Faschismus Auftrieb zu geben? Woran liegt das?

Tilo Jung (28:21): Weil sie ihren Job behalten wollen, weil sie Angst um ihre eigene ökonomische Zukunft haben, weil sie Angst vor ihrer eigenen Courage haben. Oder weil sie noch nie etwas anderes gemacht haben.

Tilo Jung (28:47): Sie sind loyal gegenüber der Macht. Und wenn die Macht das nicht möchte, dann müssen sie mit Sanktionen rechnen.

Zu OP:

Das liegt daran, daß die mehrheitliche Medienlandschaft inkl. aller sozialen Trollwerke von Nazis dominiert wird.

Die Medienlandschaft ist weitgehend rechts und hilft dem Faschismus (vgl. oben.). OP stempelt die Macht in den Medien als Nazis ab. Ok, etwas polemisch, aber nicht ganz verkehrt.

Diese parasitären, nutzlosen Medien-Existenzen, die wie Beamte Leistungsfrei auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung leben, müssen zwingend den Kapitalfaschismus am Leben erhalten, wenn sie nicht irgendwann einer ehrlichen Berufstätigkeit mit echter Arbeit und Leistung nachgehen wollen.

Journalisten unterwerfen sich der Macht, die Faschismus & Kapitalismus will (vgl. oben.). OP ist nicht verkehrt.

[–] jul@discuss.tchncs.de 9 points 2 months ago

Bzgl.

professionelle, journalistisch verantwortete Einordnung und Auseinandersetzung

und

Es bedeutet, sich ihr nicht durch Verschweigen, sondern durch Aufklärung und Gegenrede zu stellen. Und dies tun wir im WDR und in der ARD nicht erst seit der Einstufung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz.

würde ich noch ganz schnell dieses Video von der re:publica hinterherschicken mit der Frage, ob dann der gleiche journalistische Standard in Sache AfD angewendet werden soll.

[–] jul@discuss.tchncs.de 1 points 4 months ago* (last edited 4 months ago) (1 children)

Das ist eigentlich der Kern eines Austauschs und dafür sind wir hier.

Zu einem Austausch gehört aber nunmal auch dazu, das beide Seiten etwas aus dem Diskurs mitnehmen. Das scheint bei dir ja überhaupt nicht geklappt zu haben, wenn du mit den selben Argumenten ankommst. Also wieso sollte sich jemand dann die Mühe bei dir machen?

argumentiere doch lieber, warum man die Aussagen einzelner Politiker höher bewerten sollte als das, was die Partei gemeinsam im Wahlprogramm als ihre offizielle Linie verabschiedet hat

Wie siehst du es dann bei anderen Parteien? Alles was die Spitzenpolitiker, die letztlich verhandeln und Gesetze verabschieden, sagen und tun, ist egal? Weil ja nur das zählt, was im Programm steht (was du nicht im ganzen auffasst, sondern nur einzelne Passagen zitierst?). Und unterstellst du etwa der Partei, die ja das Programm verabschiedet, sie wüsste nicht, welche Politiker sie ins Rennen schicken und an die Spitze setzen? Die ja die Positionen der Partei vertreten?

Waffenlieferungen in Kriegs- und Konfliktgebiete ausgesprochen (passend zum diesem Teil: “Selbst wenn ein Staat angegriffen wird, soll dieser sich nicht mit militärischen Mitteln verteidigen.”) und es wird die Umwandlung von Rüstungs- zu ziviler Industrie gefordert (keine Waffen, passend zu diesem Teil: “Pazifisten dulden nur friedliche und gewaltfreie Aktivitäten.”)

Nein es ist eben nicht passend. Einfach zu widerlegen hier im Programm: "Wir verurteilen diesen völkerrechtswidrigen Krieg und stehen an der Seite der Menschen in der Ukraine, die ein Recht auf Selbstverteidigung hat."

[–] jul@discuss.tchncs.de 1 points 4 months ago

Es geht doch um Partnerschaften. Ein besserer Titel wäre z.B. "Politische Unterschiede in den Geschlechtern ist mitverantwortlich an weniger stattfindenen Beziehungen". Stattdessen steht da einfach, es läge daran, die Frauen schreiben es ins Profil.

[–] jul@discuss.tchncs.de 2 points 4 months ago (2 children)

Du verstehst mich falsch. Ich habe den Titel kritisiert, der die Einstellung der Frauen zum Problem macht.

[–] jul@discuss.tchncs.de 2 points 4 months ago* (last edited 4 months ago)

Sehe ich doch auch so! Und das ist doch meine ganze Kritik da dran! Im Titel wird es zum Problem gemacht, dabei haben Frauen doch natürlich wie jeder andere auch das recht, sich auszusuchen, mit wem sie eine Beziehung führen und mit wem nicht. Im Titel steht dann aber einfach, dass es an den Frauen liegt. Das ist das, wogegen ich argumentiere.

[–] jul@discuss.tchncs.de 2 points 4 months ago* (last edited 4 months ago)

Weiß nicht, das ist ja anekdotische Evidenz. So wie gegen Grüne gehetzt wurde und was meine Freundinnen mir erzählen, würde ich eigentlich anderes vermuten.

[–] jul@discuss.tchncs.de -2 points 4 months ago (3 children)

Sorry, ich habe keine Lust das mit dir weiter zu diskutieren. Denn eine Diskussion scheint ja mit dir keinen Sinn zu machen, wenn du einfach wieder von neu anfängst und keine Punkte verstehen willst. Und in jedem, wirklich jedem Interview mit linken Spitzenpolitikern wird das klar, das es keine kategorische Ablehnung gibt. Du scheinst da irgendwie ne Resistenz zu haben.

Das in "KEINSTER WEISE" bezieht sich doch ganz offensichtlich auf den Teil der Definition zum Pazifismus.

Macht einfach keinen Sinn mit dir zu reden, sorry.

[–] jul@discuss.tchncs.de -2 points 4 months ago (5 children)

Wir hatten darüber schon diskutiert, schon wieder vergessen? Von kategorischer Ablehnung steht nirgends was.

Wie ich sagte, man kann die Position kritisieren.

Aber es ist eben ne legitime Position. Alle anderen Parteien, von Grüne bis AfD, müssen sich den Kritikpunkt der Unterstützung von Genoziden (z.B. Gaza, Armenien) gefallen lassen.

Das Wort Pazifismus ist unpassend, da sie ja für eine Verteidigung sind! Nur es soll eben auf eine weit entfernte Zukunft hingearbeitet werden, indem Krieg keine Rolle mehr spielt. Das ist der Knackpunkt, der immer wieder unter den Teppich gekehrt wird. Also nenn sie meinetwegen pazifistisch, aber es sind aktuell und in naher Zukunft keine Pazifisten.

[–] jul@discuss.tchncs.de 7 points 4 months ago (13 children)

Die Position der Linken darf und soll man kritisieren, wie man auch Aufrüstung und Wehrpflicht kritisieren darf und soll.

In der Rede, die ich übrigens auch wirklich gut finde, wird aber NICHTS von (hochgradigem) Pazifismus geschweige denn Russlandliebe gesagt. Denn wer beides immer noch den Linken zuschreibt, ist einfach nur peinlich. Das weiß auch Anton Hofreiter.

In der Definition vom bpb heißt es

Ein Pazifist lehnt aus Gewissensgründen auch jede Form von Krieg grundsätzlich ab. Selbst wenn ein Staat angegriffen wird, soll dieser sich nicht mit militärischen Mitteln verteidigen. Pazifisten dulden nur friedliche und gewaltfreie Aktivitäten.

Und das trifft bei den Linken in KEINSTER WEISE zu. Sie argumentieren doch ständig mit Verteidigung! Z.B. im Programm, die Ukraine soll sich verteidigen, oder O-ton van Aken "Wenn ihr Patriot Raketen braucht, dann kauft doch einfach welche!". Siehe letzter hart aber fair Auftritt bei 59:45 und 1:09:20.

Also: immer schön korrekt bleiben.

 

archiv link

[...]

Es scheint für viele schwer erträglich zu sein, dass die Partei keine Kopie der Grünen sein will, also früher mal friedensbewegt und heute „realpolitisch“ nur noch in einer militärischen Logik denkend, egal was es kostet. Dabei ist genau das der Wert der Linken: dass es im Bundestag wenigstens eine Stimme gibt, die nicht einfach mitmarschiert, sondern die Renaissance des Militärischen in Frage stellt. Ohne dabei entweder naiv oder mutwillig – wie die Kremlparteien AfD und BSW – die reale Bedrohung der europäischen Ordnung durch Putins Russland zu ignorieren.

Etwas mehr Rationalität würde der Debatte um die angeblich unumgängliche drastische Erhöhung der Verteidigungsausgaben guttun. So hat der Linken-Vorsitzende Jan van Aken recht, wenn er feststellt, dass bei den Militärausgaben kaufkraftbereinigt jährlich 430 Milliarden US-Dollar der europäischen Nato-Staaten 300 Milliarden US-Dollar Russlands gegenüberstehen. Ebenso eigentümlich ist es, wenn ignoriert wird, dass die Nato konventionell Russland weit überlegen ist. Da braucht es kein neues „Sondervermögen“, auch wenn das gerade die herrschende Meinung ist.

Eine Abschaffung oder Reform der Schuldenbremse wäre hingegen mit der Linken kein Problem: gegen die war sie von Anfang an. Damit ließen sich dann auch höhere Verteidigungsausgaben finanzieren. Eine andere Möglichkeit wäre, die Einnahmeseite des Bundeshaushalts zu verbessern, beispielsweise durch eine Reichensteuer. Dafür würde eine ganz normale Regierungsmehrheit reichen, wobei die Linke sicherlich zustimmen würde. Aber die Prioritäten derjenigen, die so laut tönen, es müsste drastisch aufgerüstet werden, sind dann offenkundig doch andere.

Wie absurd die gegenwärtige Diskussion ist, zeigt sich schon daran, dass dieselben, die behaupten, die EU-Staaten müssten jetzt Fantastilliarden ausgeben, um sich vor Russland zu schützen, ebenso behaupten, die EU-Staaten könnten der Ukraine auch ohne die USA zu einem Sieg über Russland verhelfen. Das eine wie das andere ist falsch. Was allerdings richtig ist: Auch wenn die USA ihre militärische Unterstützung für die Ukraine einstellen, könnten die europäischen Staaten dafür sorgen, dass Russland seinen Krieg nicht gewinnt.

[...]

Ja, dass die Linkspartei Waffenlieferungen an die Ukraine weiterhin ablehnt, kann und sollte kritisiert werden. Ohne die militärische Unterstützung des Westens hätte das angegriffene Land der Aggression Russlands nicht bis heute standhalten können.

[...]

Aber das Dilemma, in dem sich die Ukraine-Solidarität befindet, ist nicht der Linken geschuldet. Das Problem ist doch eher, dass die EU-Staaten mit der BRD vorneweg in den vergangenen Jahren nicht – wie von der Partei gefordert – bereit waren, eigenständige diplomatische Initiativen zum Beispiel mit China und anderen Brics-Staaten zur Lösung des Konflikts zu starten. Keine Ahnung, ob sie Erfolg gehabt hätten. Aber stattdessen nur auf die USA und sonst bloß auf Waffenlieferungen zu setzen, war ein Fehler.

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