this post was submitted on 27 Jul 2025
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Deutschland

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[–] philpo@feddit.org 35 points 6 days ago

Jein. Vorab: Ich bin wirklich wirklich kein Strobelfan (und werde regelmäßig von Veranstaltungen ausgeladen zu denen er erscheint), aber zu den Politikerbesuchen muss man ein wenig unterscheiden. Und mache mich gerade an anderer Stelle gerade sehr unbeliebt bei ihm.

Prinzipiell gibt es eine gewisse Kommandokette. Diese sieht in BW(vereinfacht)bei einem solchen Ereignis so aus: Sanitätseinsatzleitung+Feuerwehreinsatzleitung->Gesamt-Feuerwehreinsatzleiter->Bürgermeister der Gemeinde->Landrat(mit seinem Stab)->Regierungspräsidium->IM->Ministerpräsident. (Die Kollegen aus Bruchsal und Pfalzgrafenweiler verzeihen mir an der Stelle die Vereinfachung) Denn: Im Hintergrund laufen bei sowas riesige Stäbe hoch. Neben dem Einsatzstab der Feuerwehr und des Sanitätsdienstes (Rettungsdienst+Ehrenamt) auch bei der Polizei, der Verwaltung, den Kliniken - jeweils mit eigenem Stab.

Kurz gesagt: Der Innenminister(oder Ministerpräsident) ist hier sozusagen sehr weit oben angesiedelt. Zwar hat er kein automatisches Eingriffsrecht (das ist erst gegeben wenn die Lage mehrere Landkreise betrifft), aber er hat eben auch die Funktion der Rechtsaufsicht.

Nun ist es so,dass lokale Behörden auf solche Fälle meist wenig bis gar nicht adäquat vorbereitet sind und sehr langsam mahlen. (Bestes Beispiel: Ahrtal und das zuständige Landratsamt - in dessen LK sich übrigens die Bundesakademie befindet)

Gleichzeitig gibt es regelmäßig eine ausgeprägte Interessenkollision. Die Bundespolizei will ermitteln, die Feuerwehr möglichst schnell die Leichen bergen, die Bahn will die Strecke frei kriegen,der Landkreis will die Konsequenzen für den Schülerverkehr gering halten und der Typ im Stab will v.a. wieder ins Bett, der Ortsbürgermeister will nicht vor der Feuerwehr doof da stehen,etc. etc. Und niemand will für Kosten verantwortlich sein.

Ich war selber schon Einsatzleiter bei größeren Lagen und im Stab bei sehr großen Lagen - und manchmal ist das sehr verfahren,gerade in BW wo wir sehr wenig Strukturen dafür haben. Hier kann der "Vorgesetzte" Politiker durchaus effektiv wirken - ich erinnere mich an eine Lage bei der sich ein Landrat beharrlich weigerte den Katastrophenalarm auszurufen. Nur dann greift das Katastrophenschutzgesetz, nur dann können wir "an der Lage" z.B. auch Bürgerrechte einschränken oder Bagger requirieren, nur dann können wir auf alle Einheiten zugreifen die wir brauchen. Nur: Das zahlt halt primär der Landkreis. Ein Besuch des zuständigen Innenministers (war nicht in BW,btw.) hat den Herrn ganz ganz schnell dazu gebracht hier anders zu denken. Dreißig Minuten später konnten wir endlich so arbeiten wie wir es seit 16h wollten. Ein Kollege hatte mal Angela Merkel bei einer großen Waldbrandlage. 2h nach ihrem Besuch war die Bundespolizei und die Bundeswehr auf einmal doch in der Lage die angefragten Helikopter zu schicken.

Der weitere Faktor ist eben die Verantwortung - irgendwer muss am Ende die Verantwortung tragen. Gerade in BW ist das schwierig,da z.B. der Rettungsdienst-Teil nicht der Amtshaftung unterliegt. Beliebte Anekdote: Ein leitender Notarzt hat mal von seiner Heimatstadt die Hotelrechnung für die evakuierten Personen die er in einem Hotel hat unterbringen lassen bekommen. Der Kollege hätte das formell vorher durch den Verwaltungsstab laufen lassen müssen.

Historisch ein besser belegtes Beispiel: Helmut Schmidt hat während der Hamburger Sturmflut damals die Verantwortung übernommen die Bundeswehr im Inneren einzusetzen. Riesiges Risiko. Konnte aber außer ihm und dem Bürgermeister keiner verantworten.

Auch ist es bei vielen Situationen besser,wenn jemand Hochgestelltes mit der Presse spricht - und je höher desto besser wird das auch aufgenommen. Man will bei sowas nicht die ehrenamtliche Bürgermeisterin von Kleinkleckersbach im Fernsehen sprechen haben - die Wahrscheinlichkeit,dass der dann Fehler passieren sind enorm, je weiter emotional entfernt vom Geschehen desto besser. Auch weil diese Politikebene ganz anders mit den Medien umgehen kann. Wieder ein reales Beispiel: Eine gewisse "Zeitung" hat während einer Lage an der ich war u.a. angefangen Einsatzkräfte privat anzuschreiben und anzurufen, möglicherweise sogar unter Vorspiegelung falscher Tatsachen. Während der ersten Pressekonferenz wurden wir von mehreren Vertretern der Medien massiv angegangen - bis hin zu Drohungen wenn wir nicht endlich "raus rücken würden" würde man uns "Durchleuchten". Da gerät man schneller in Panik als einem lieb ist. (Real haben wir nix sagen können weil wir Hinterbliebene informieren mussten, u.a. eigene Kollegen). Bei der nächsten PK war der zuständige Politiker da. Da kam nur ein Anpiff "aber Herr X, bei den PKs im Ministerium benehmen sie sich doch auch nicht so daneben". Zack, war Ruhe.

Last but not least: Gerade die ehrenamtlichen KollegInnen brauchen auch ein wenig die Anerkennung die aus sowas entsteht. Für mich selber nicht"nachzufühlen", aber Katastrophen sind mein Geschäft. Wenn du gerade die schlimmsten Bilder die du jemals segen wirst gesehen hast oder seit 36h wach bist weil du Sandsäcke schleppen musstest - dann kann "deinem Landesvater" (*) da eine Menge bewirken und v.a. die "wofür" Frage die man sich in den Tagen danach stellt wenn das Loch aufgeht und man in die Dunkelheit fällt schon helfen.

Soweit so gut. Nun aber das große aber: Das sind alles Dinge die man auch ohne viel Aufhebens machen kann. Hinfahren,schauen wo es klemmt, schauen wo man helfen kann indem man "die richtigen Leute anruft", kurzes Statement in die Presse und wieder weg sein.

Real,und da hast du Recht, sieht das halt leider ganz anders aus. Wenn sich zu Wahlkampfzeiten bei längeren Lagen fünf Minister aus vier Parteien in deinen Sektor ankündigen,dann kriegst du absolut die Krise. V.a. weil davon garantiert keiner in der Kommandokette steht oder wenigstens sachlich hilfreich.

Dann sind das meistens auch reine "Instahotspot" Termine. Hin, raus, Foto/Video, Mikros anlocken, kurzes Bild mit Helfer und Opfern, wieder weg. Das ist nicht hilfreich und absolut störend. Und hat leider zuletzt stark zugenommen. Das ist wirklich abscheulich. Erst Recht wenn dann wirklich noch Arbeiten behindert werden (z.B. weil Helis nicht starten dürfen) oder sich Politiker in Lebensgefahr bringen um ja besser im Bild als ihr Erzfeind zu sein.

(*: Kretsche und Özdemir aber auch Stoiber Merkel, Hannelore Kraft und Ramelow konnten das "Politikerväterliche/mütterliche" hinter verschlossenen Türen wohl sehr gut - ich hab bei weitem nicht alle davon live erlebt, aber beim Rest sind die Aussagen der Kollegen aber eindeutig. Insbesondere Merkel hat man die Herkunft aus einem Pfarrhaus sehr angemerkt. Dagegen berichten alle Kollegen die Söder in einer solchen Situation erlebt haben,dass sie danach garantiert nie mehr Union gewählt hätte)

Von daher: Es kann durchaus helfen wenn die richtigen Politiker kommen. Nur in Maßen und zum richtigen Zeitpunkt.