Wehrhafte Demokratie

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Das Landgericht Gera hat im sogenannten Turonen-Prozess hohe Haftstrafen verhängt: Die beiden angeklagten Neonazi-Rocker wurden zu neun und zwölf Jahren Haft verurteilt. Sie wurden für schuldig befunden, über Monate hinweg in der Region Saalfeld/ Rudolstadt mit Drogen gehandelt zu haben.

Endlich mal eine gute Nachricht!

Das Landgericht Gera hat im sogenannten Turonenprozess zwei Männer zu Haftstrafen von neun und zwölf Jahren Haft verurteilt. Dem Urteil zufolge haben die Neonazi-Rocker über Monate hinweg die Region Saalfeld/ Rudolstadt mit großen Mengen Crystal und Kokain versorgt. Wegen des hohen Suchtpotenzials der Drogen seien die Strafen hoch ausgefallen, so das Landgericht.

Die Staatsanwaltschaft hatte 14 beziehungsweise zwölf Jahre Gefängnis gefordert. Dagegen plädierte die Verteidigung für Freisprüche. Der Prozess hatte bereits im Juni 2023 begonnen.

Die Verurteilten hatten ihre Geschäfte über verschlüsselte Kryptohandys abgewickelt. Durch die Entschlüsselung dieser Handys waren die Ermittler auf die Spur der nun Verurteilten gestoßen. Ein bandenmäßiges Handeln konnte ihnen jedoch nicht nachgewiesen werden. Das Urteil ist laut einem Gerichtssprecher noch nicht rechtskräftig.

Die beiden Verurteilten im Alter von 40 und 35 Jahren waren Mitglieder der 2015 gegründeten und 2021 zerschlagenen rechtsextremen Bande "Turonen".

Diese "Bruderschaft" orientierte sich an den Rockerclubs mit einer strengen Hierarchie, Insignien und militärisch anmutenden Rängen. Anfangs organisierten die Neonazi-Rocker Rechtsrockkonzerte wie in Themar, zu denen bis zu 6.000 Besucher kamen.

Später verkauften die Neonazis Drogen in Thüringen. Bereits 2023 waren Mitglieder und Unterstützer der "Bruderschaft" in Erfurt vor dem Landgericht Erfurt zu hohen Haftstrafen verurteilt worden.

Der ältere der jetzt Verurteilten war einer der beiden Chefs der Gruppierung. Er hat laut Staatsanwaltschaft aus dem Hintergrund heraus die Drogengeschäfte organisiert.

Dafür soll er auch eine Bande im Raum Apolda genutzt haben, die von einem "Turonen" geführt wurde. Auch die Mitglieder dieser Drogenbande wurden bereits verurteilt.

Bereits im Februar 2021 hatten das Thüringer Landeskriminalamt und die auf die Bekämpfung der organisierten Kriminalität spezialisierte Staatsanwaltschaft Gera die "Bruderschaft" zerschlagen. In einer zweiten Verhaftungswelle im Juni 2022 wurden die nun Angeklagten festgenommen. Sie sollen mit vor allem mit Crystal, Kokain und Marihuana, aber auch mit Waffen gehandelt haben.

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Die Schule sollte ein möglichst sicherer Ort sein, an dem Kinder lernen und wachsen – in Obhut der Lehrkräfte. Doch was, wenn Pädagog*innen eine rechtsextreme, rassistische Haltung ins Klassenzimmer mitbringen? Dann wird Schule für marginalisierte, von Rassismus betroffene Kinder zum Albtraum.

Nach RBB-Recherchen ist genau das an einer Cottbuser Schule passiert. Ein Lehrer soll zwei Schüler verprügelt haben, und das vermutlich aus einer rassistischen Motivation heraus.

Ein damals zwölfjähriger Schüler syrischer Herkunft erlitt demnach so starke Verletzungen, dass er drei Tage lang im Krankenhaus lag. »Der Lehrer soll dem Jungen zunächst einen Schlag in den Nacken versetzt und dann den Tisch gegen seine Brust gestoßen haben«, heißt es in der Recherche, die der RBB am Mittwoch veröffentlicht hat. In der Folge seien bei dem Jungen ein Halswirbelsäulen-Schleudertrauma und eine Thoraxprellung festgestellt worden.

Zwei weitere Angriffe richteten sich laut RBB gegen einen aus Tschetschenien stammenden zwölfjährigen Schüler. Der Lehrer soll das Kind einmal gegen den Oberarm geschlagen und ein anderes Mal in den Rücken getreten haben.

Am Mittwoch reagierte unter anderem Kathrin Dannenberg, bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Landtag Brandenburg, entsetzt auf die Nachrichten. »Gewalt durch Pädagoginnen und Pädagogen ist ein absolutes No-Go«, schrieb sie und forderte eine transparente Aufklärung.

Das scheint zumindest bisher nicht geschehen zu sein. Laut RBB fanden die Angriffe gegen den syrischen und den tschetschenischen Schüler bereits im Herbst 2023 statt. Seitdem habe sich weder die Schule noch das Schulamt bei den betroffenen Kindern und ihren Familien entschuldigt.

Das bestätigt Joschka Fröschner vom Verein Opferperspektive, der die beiden betroffenen Schüler und ihre Familien begleitet. »Wir und die Familien haben ein halbes Jahr lang versucht, in irgendeiner Form Antworten oder eine Verantwortungsübernahme von Schule, Schulamt oder Bildungsministerium zu bekommen. Aber da ist einfach nichts passiert«, erzählt er »nd«.

»Man gibt seine Kinder in die Schule und geht davon aus, dass sie dort sicher sind und etwas lernen. Dann werden sie schwer angegriffen und danach gibt es keine Kontaktaufnahme – das ist wirklich ungeheuerlich.«

Der Umgang mit dem mutmaßlich gewalttätigen Lehrer sei stattdessen ohne jeglichen Austausch mit den Betroffenen erfolgt.

Der Lehrer soll laut Fröschner nicht mehr an der Schule eingesetzt werden, doch mittlerweile gibt es Anzeichen dafür, dass er wieder als Lehrkraft an einer anderen Schule in der Lausitz arbeitet. »Das käme mir wie ein enormes Risiko vor«, sagt Fröschner.

Insbesondere die Reaktion der Schule, wie Fröschner sie schildert, wirkt mindestens fahrlässig. Die drei Angriffe seien innerhalb einer Woche erfolgt, der erste richtete sich demnach gegen den tschetschenischen Jungen.

Seine Mutter sei daraufhin in die Schule gegangen. »Aber sie wurde abgewimmelt und konnte mit keinem Verantwortlichen reden«, so Fröschner.

In den Tagen danach griff der Lehrer noch einmal den tschetschenischen und zudem den syrischen Schüler an. »Diese Angriffe hätte man offensichtlich verhindern können.«

Der Vater des syrischen Kindes erzählte zudem dem RBB, die Schulleitung habe ihn davon abhalten wollen, eine Anzeige zu stellen. Er habe den Lehrer trotzdem angezeigt.

Die Cottbuser Polizeibehörde bestätigt das auf Anfrage von »nd«: Insgesamt lägen gegen den Lehrer drei Anzeigen aus dem vergangenen Herbst wegen Körperverletzung vor. Die Ermittlungen durch Polizei und Staatsanwaltschaft dauern an, es wird eine rassistische Motivation untersucht.

Cottbus gilt schon lange als rechter Hotspot. Die Zahlen Opferperspektive, die in ganz Brandenburg Betroffene von rassistischer Gewalt berät, zeigen, dass Cottbus in den vergangenen Jahren konstant zu den Regionen mit den höchsten Angriffszahlen gehörte. »Wir haben in Cottbus vor allem viele Fälle im öffentlichen Straßenraum gegen migrantisch gelesene Menschen«, so Fröschner.

Doch auch rechtsextreme Vorfälle an Schulen in Cottbus und Umgebung sorgen nicht zum ersten Mal für Schlagzeilen. Im vergangenen April hatten sich zwei Lehrkräfte aus Burg, einer Gemeinde im Spreewald bei Cottbus, mit einem Brandbrief an die Öffentlichkeit gewandt, um auf NS-verherrlichendes Verhalten von Schüler*innen aufmerksam zu machen. Weil sie danach bedroht wurden, sahen sie sich gezwungen, die Schule zu verlassen.

Seit dem Brandbrief gehen bei den Schulämtern insbesondere in Cottbus mehr Meldungen ein. Auch die Opferperspektive erhalte seither mehr Meldungen aus Schulen und Bildungseinrichtungen zu rassistischen Übergriffen, erzählt Fröschner. »Aber dieser Fall sticht in seiner Massivität klar hervor.«

Bildungsministerium und Schulamt wiesen die Vorwürfe in einer gemeinsamen Mitteilung zurück: »Wir bedauern sehr, dass es zu dem von Ihnen geschilderten Fall gekommen ist. Alle beteiligten Stellen haben die Aufarbeitung sehr ernst vorgenommen – auch unter Einbeziehung der Sorgeberechtigten.«

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Zur Quelle: Die CNA ist eine amerikanische katholische Mediengruppe. Der Autor des Artikels ist nach eigener Angabe ein „Mitglied in einer pro-life Jugendbewegung“ und schreibt unter anderem für das fundamental christliche „corrigenda*“-Magazin, dass schon Banger, wie „Warum Christen pro Bitcoin sein sollten“ und „Das Christentum muss wieder männlich werden“ veröffentlicht hat. Was für eine politische Ausrichtung das Magazin hat, könnt ihr euch wahrscheinlich denken.

Der Artikel:

In der Nacht von Freitag auf Samstag hat die Antifaschistische Aktion, besser bekannt als Antifa, eine Kirche in Hamburg angegriffen.

Konkret handelt es sich um eine Niederlassung der Priesterbruderschaft St. Pius X. Auf dem einschlägigen Portal Indymedia wurde kurz nach dem Angriff ein Bekennerschreiben veröffentlicht.

Bekennerschreiben: https://de.indymedia.org/node/345261

Aus dem Schreiben:

In der Nacht des 8. März haben wir im Rahmen des Feministischen Kampftags die Niederlassung der Pius-Buderschaft in Hamburg angegriffen und den Bau der rechtsextremen Gotteskrieger mit Bitumen markiert.

Über die Piusbrüder wurde viel geschrieben, wir wollen deshalb hier nur kurz darauf eingehen, warum wir diese Bewegung am 8. März besucht haben.

Seit 1969 arbeiten die katholischen Priester daran, einen christlichen Gottesstaat, basierend auf einer antidemokratischen und rechtsextremen Ideologie aufzubauen. Für die Piusbrüder sollte alle weltliche Macht von Gott ausgehen, nicht etwa von den Menschen, die auf dieser Welt leben. Was dieser Gott will und welche Gesellschaftsvorstellungen er hat, interpretieren natürlich die Piusbrüder mit ihren erzkonservativen Ansichten.

Dazu gehören antisemitische Verschwörungserzählungen, Leugnung der Shoah, antimuslimischer Rassismus und die Ablehnung der körperlichen Selbstbestimmung von Menschen mit Uterus, sowie regelmäßige Hetze gegen alle Menschen, die sich nicht in einem heteronormativen, binärem Gesellschaftssystem wiederfinden. Folglich unterstützt die katholische Sekte auch die extreme Rechte, beispielsweise, in dem sie Veranstaltungsräume zur Verfügung stellen.

Wenn die Piusbruderschaft auch nach einer verwirrten, anachronistischen Sekte klingt, so wirken sie doch weit in die Gesellschaft hinein. Neben ihrem politischen Engagement betreiben sie nämlich Schulen in Deutschland und einigen weitere europäischen Ländern.

Wir sind der Meinung, dass damit Schluss sein muss. Fundamentalistische Menschenfeinde angreifen – jederzeit und überall. Für einen kämpferischen 8. März.

Ende des Bekennerschreibens, zurück zum Artikel der CNA

Die 1970 von Erzbischof Marcel Lefebvre gegründete Priesterbruderschaft St. Pius X. (FSSPX) zählt nach eigenen Angaben über 700 Priester, die weltweit in knapp 800 Messzentren wirken und auf allen Kontinenten vertreten sind.

Bekannt ist die Gemeinschaft für ihr Festhalten an der überlieferten Liturgie und ihre Kritik an manchen Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils sowie nachkonziliaren Änderungen.

„Liturgie“ bezeichnet die religiösen Rituale im Katholizismus, wie den Ablauf einer Messe. Je nach Auslegung kann aber auch z.B. ein Exorzismus als „Liturgie“ angesehen werden.

Das Zweite Vatikanische Konzil war ein vom Papst 1962 ausgerufenes Treffen aller wichtigen Geistlichen. Auf dem Treffen wurden Reformen beschlossen, wie das Messen nicht mehr auf Latein gehalten werden müssen, mehr Rechte für Bischöfe und lokale Kirchen, Versöhnung mit dem Islam und dem Judentum, Anerkennung der Religionsfreiheit, Anerkennung der Trennung von Staat und Kirche und Forderung nach einer gesellschaftlichen Gleichberechtigung der Frauen.

https://de.wikipedia.org/wiki/Zweites_Vatikanisches_Konzil#Ergebnisse_und_Auswirkungen

Seit 1985 feiert die Piusbruderschaft in Hamburg wöchentlich Gottesdienst. 1990 wurde das ehemalige Wirtschaftsgebäude zu einem Pfarrzentrum für Veranstaltungen und Bildung umgebaut.

Manche nennen es Bildung, ich nenne es Indoktrination.

Papst Benedikt XVI. hob 2009 die Exkommunikation von vier 1988 unrechtmäßig durch Lefebvre geweihten Bischöfen der Piusbruderschaft auf.

Im Jahr der Barmherzigkeit 2015 verfügte Papst Franziskus, dass Priester der Bruderschaft regulär die Lossprechung im Bußsakrament erteilen dürfen.

Juckt. Was hat das mit dem Angriff zu tun?

Seit März 2017 dürfen die Priester auch – eine weitere Erlaubnis von Franziskus – regulär bei Ehenschließungen von Gläubige, die sie seelsorgerisch betreuen, assistieren.

Die Antifa wirft der Piusbruderschaft vor, seit ihrer Gründung an einem „christlichen Gottesstaat, basierend auf einer antidemokratischen und rechtsextremen Ideologie“ zu arbeiten. Für die Priester der FSSPX solle „alle weltliche Macht von Gott ausgehen“.

Mit „ihren erzkonservativen Ansichten“ würden die Prieser selbst interpretieren „was dieser Gott will“: „Dazu gehören antisemitische Verschwörungserzählungen, Leugnung der Shoah, antimuslimischer Rassismus und die Ablehnung der körperlichen Selbstbestimmung von Menschen mit Uterus, sowie regelmäßige Hetze gegen alle Menschen, die sich nicht in einem heteronormativen, binärem Gesellschaftssystem wiederfinden.“

Die Antifa schließt mit dem Aufruf: „Wir sind der Meinung, dass damit Schluss sein muss. Fundamentalistische Menschenfeinde angreifen – jederzeit und überall.“

Eine Anfrage von CNA Deutsch nach einer Stellungnahme zu dem Vorfall blieb seitens des Erzbistums Hamburg unbeantwortet.

Zu den Pius X-Brüdern: https://de.wikipedia.org/wiki/Priesterbruderschaft_St._Pius_X.#:~:text=(lateinisch%20Fraternitas%20Sacerdotalis%20Sancti%20Pii,römisch%2Dkatholischer%20Priester%20zu%20widmen.

Die Priesterbruderschaft betrachtet sich als Bestandteil der römisch-katholischen Kirche, lehnt aber das Zweite Vatikanische Konzil (1962–1965) und insbesondere dessen Lehren über die Ökumene, Religionsfreiheit, Kollegialität der Bischöfe, die Haltung der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen (Erklärung Nostra Aetate) sowie die auf Anordnung des Konzils durchgeführte Liturgiereform ab mit der Begründung, diese Konzilslehren seien „modernistisch“ und stellten einen Bruch mit dem dar, was die Kirche bisher gelehrt habe.

Sie strebt eine Erneuerung des Priestertums sowie die „Verbreitung und Wiederherstellung der authentischen katholischen Lehre“ an.

Seit 1975 hat die Piusbruderschaft keinen kanonischen Status in der römisch-katholischen Kirche und betreibt ihre Einrichtungen wie Priesterseminare, Priorate und Kapellen ohne Erlaubnis und Kontrolle kirchlicher Behörden der römischen Kurie bzw. der jeweiligen Diözesanbischöfe.

In der Vergangenheit traten Priester und Anhänger der Bruderschaft mit antijüdischen Äußerungen öffentlich in Erscheinung. Ein im Januar 2009 ausgestrahltes Fernsehinterview des mittlerweile ausgeschlossenen Bischofs und Holocaustleugners Richard Williamson führte zu seiner Verurteilung wegen Volksverhetzung.

Für den Bonner Politikwissenschaftler Gerd Langguth ist die Piusbruderschaft ein „Fall für den Verfassungsschutz“, da sie einen „katholischen Gottesstaat“ anstrebe.[67] Ihre Beobachtung forderten auch Volker Beck (Bündnis 90/Die Grünen), Klaus Uwe Benneter und Sebastian Edathy (SPD).

In ihrer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion sah die Bundesregierung im Oktober 2010 keine hinreichenden verdachtsbegründenden Anhaltspunkte für eine verfassungsfeindliche Aktivität der Piusbruderschaft, so dass diese nicht vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet wird.

Die Priesterbruderschaft St. Pius lehnt das Streben nach Dialog und Kompromiss mit anderen Religionen ab, wenn dieses Streben „ohne Rücksicht auf die Wahrheit“ vor sich gehe. Sie ist überzeugt, dass nur der Katholizismus die „wahre und direkt von Gott geoffenbarte Religion“ sei; richtig verstandener Ökumenismus bestehe darin, „Gottes geoffenbarte Wahrheiten zu verteidigen und die Bekehrung zur wahren Religion zu fördern“.

Die Kollegialität bedrohe „die klare hierarchische Struktur der Kirche“. Demokratische Prozesse seien nicht mit der Struktur der Kirche vereinbar.

In einer Predigt zu Allerheiligen 1990 im schweizerischen Ecône sagte Lefebvre:

„Die Laizität ist der öffentliche Atheismus und das ist eine schwere Sünde. Der Atheismus beruht auf der Erklärung der Menschenrechte. Die Staaten, die sich seither zu diesem offiziellen Atheismus bekennen, befinden sich in einem Zustand dauernder Todsünde.“

Auch der damalige deutsche Distriktobere Franz Schmidberger lehnt in einem 2007 veröffentlichten Beitrag die religiöse Neutralität des Staates ab und plädiert für eine „christliche Gesellschaftsordnung“, in der etwa die Todesstrafe gälte, „keine zivile Ehescheidung“ vorgesehen sei, eine Unauflöslichkeit der Ehe als „einer ihrer Grundpfeiler“ bestehe, „den vorehelichen und außerehelichen Beziehungen“ der „Kampf“ angesagt werde und der „Vertrieb von empfängnisverhütenden Mitteln“ verboten werde, ebenso wie Zinsspekulation, Großbanken, Abtreibung, „Gotteslästerung, Homosexualität und Pornographie“.

Er fordert, dass die „Gewalt in Staat und Gesellschaft“ „nicht vom Volke“, nicht „von der Basis“ ausgehen dürfe, „sondern von Gott […] folglich bezeichnet das Volk in Wahlen allein diejenigen, die es regieren sollen, verleiht ihnen aber nicht die Autorität; ebenso wenig kann es Regierungen beliebig absetzen.“

Statt eines Parteiensystems empfiehlt er, dass an deren „Stelle jene christlichen Männer treten, die sich durch sittliche Reife und Lebenserfahrung, durch Gerechtigkeitssinn und Sorge um das Gemeinwohl auszeichnen“.

Schon in den 1970er Jahren soll Lefebvre in Predigten Aussagen getätigt haben, wonach die Militärjunta von Argentinien und die Diktatur in Chile unter Augusto Pinochet vorbildliche Regierungen seien.

Lobende Worte fand er auch für die Diktatoren Francisco Franco, António de Oliveira Salazar und Philippe Pétain, dessen Vichy-Regime ein brisantes Verhältnis zum Nationalsozialismus hatte.

Er wurde von reaktionären Aristokraten, die die Monarchie befürworteten, und von autoritär-republikfeindlichen Kreisen des Großbürgertums finanziell unterstützt.

Die Pariser Kirche Saint-Nicolas-du-Chardonnet, die seit 1977 von Anhängern der Piusbruderschaft genutzt wird, hat sich seither zu einem Zentrum der extremen Rechten entwickelt. Führende Vertreter wie Jean-Marie Le Pen, der Gründer des Front National, haben diese oft besucht, für andere wurden nach ihrem Tod Gedenkmessen abgehalten.

Philippe Laguérie, der von 1979 bis zu seinem Ausschluss 2004 Mitglied der Piusbruderschaft war, erklärte 1991, dass der Front National die Partei sei, die am wenigsten weit vom Naturrecht entfernt sei.

1996 zelebrierte er ein Requiem für den verurteilten Kriegsverbrecher Paul Touvier, der Opfer eines Komplotts geworden sei, und erklärte sich zum Anwalt Touviers vor Gott.

Vor dem letzten Gericht gebe es „keine Medien, keine Medienkampagnen, keine Lobbys, keine Interessengruppen, weder Kommunisten noch Freimaurer, keine Nebenkläger und keine LICRA“.

Der deutsche Distriktobere Markus Heggenberger (1997–2006) war auch Referent des inzwischen aufgelösten Cannstatter Kreises der Stuttgarter FDP, den der Verfassungsschutz als rechtsextrem einstufte.

Am 2. Juni 2008 sollte der österreichische Rechtsextremist Richard Melisch in der Kirche des Priorats St. Athanasius in Stuttgart – seit 1984 Sitz des deutschen Distriktoberen – ein Referat zu den „Gefahren der Globalisierung“ halten. In der Einladung war von einem „Angriffskrieg“ der Globalisierer und einer „Allianz von Pentagon & Wall Street“ die Rede, die ihre „Welteroberungspläne“ schriftlich veröffentlicht hätten. Kurz vor Beginn wurde der Vortrag abgesagt.

Im April 2010 sollte bei der Piusbruderschaft in Stuttgart der Rechtsextremist Walter Marinovic mindestens zweimal über die „Überfremdung und Islamisierung Europas“ referieren. Nach einem entsprechenden Beitrag des Fernsehmagazins Report Mainz wurde die Veranstaltung abgesagt. Nach Recherchen des Magazins war Marinovic bereits in der Vergangenheit bei der Bruderschaft aufgetreten.

Am 15. Oktober 2013 stellte die Bruderschaft ihre Niederlassung im italienischen Albano Laziale zu einer Trauerfeier für den nationalsozialistischen Kriegsverbrecher Erich Priebke bereit.

Die Totenmesse wurde nach Auseinandersetzungen zwischen rund 500 protestierenden Anwohnern und angereisten Neonazis abgebrochen.

Führende Vertreter der Priesterbruderschaft sind öfter mit antijudaistischen und antisemitischen Aussagen hervorgetreten. So schrieb Lefebvre am 31. August 1985 an Papst Johannes Paul II., die Feinde der Kirche seien z. B. Juden, Kommunisten und Freimaurer.[138] Damit griff er das seit 1790 bekannte Motiv einer christentumsfeindlichen Allianz von Juden und Freimaurern auf.

1997 bezeichnete einer der Traditionalistenbischöfe, Bernard Tissier de Mallerais, Juden als Hauptaktivisten beim Kommen des Antichristen.

Die belgische Webseite Joods Actueel zitierte eine Passage der US-amerikanischen Website der Piusbruderschaft, wonach das „internationale Judentum“ die christlich-katholische Ordnung zerstören wolle: „Das Geld, die Medien und die internationale Politik sind zu großen Teilen in den Händen der Juden.“

Das Southern Poverty Law Center zählte 2009 zahlreiche Beispiele judenfeindlicher Agitation innerhalb der Piusbruderschaft auf, unter anderem einen Artikel zweier Priester der Bruderschaft, der sich dafür aussprach, Juden in Ghettos zu isolieren, da Juden dafür bekannt seien, Christen zu töten.

Der inzwischen von der Bruderschaft ausgeschlossene Richard Williamson vertrat in Reden und Predigten die antisemitische Theorie eines Weltjudentums.[142] Die antisemitische Hetzschrift Protokolle der Weisen von Zion wurde von ihm mehrfach als authentische Informationsquelle bezeichnet.[143] Ferner vertrat Williamson wiederholt israelfeindliche Positionen.

Am 12. November 2013 unterbrachen Anhänger der Piusbruderschaft eine katholisch-jüdische Gedenkveranstaltung anlässlich der nationalsozialistischen Novemberpogrome 1938, die in der Kathedrale von Buenos Aires abgehalten wurde. Der Distriktssuperior der Piusbruderschaft in Südamerika, Christian Bouchacourt, begrüßte die Störung der Veranstaltung und erklärte, katholische Kirchen dienten nicht dem Kult anderer Religionen.

1987 verteidigte der Priester Philippe Laguérie den Vorsitzenden des Front National, Jean-Marie Le Pen, mit den Worten, dieser sei ein Opfer des „jüdischen Finanzkapitals“, das Frankreich seit 45 Jahren tyrannisiere. Die Thesen der Holocaustleugner Henri Roques und Robert Faurisson seien „absolut wissenschaftlich“. Le Pen hatte zuvor den Holocaust in Frage gestellt.

Weiter behauptete Abrahamowicz, „wenn Williamson den Völkermord an den Armeniern geleugnet hätte, wäre nichts passiert“. Im Februar 2009 schloss ihn die Piusbruderschaft wegen dieser Äußerungen aus.

Am 5. Februar 2009 erklärte er in einem Interview, der islamische Prophet Mohammed habe nachweislich mit einem acht- oder neunjährigen Mädchen „geschlechtlichen Umgang gepflegt“. Man könne ihn daher heute als „Kinderschänder“ bezeichnen.[162] Am selben Tag bedauerte er diese Aussage, warf den Medien aber zugleich vor, Aussagen aus der Piusbruderschaft bewusst zu verzeichnen, und stellte Medienkontakte deshalb ein.

Die Schulen der Bruderschaft sollen nach ihrem deutschsprachigen Mitteilungsblatt vom Juli 2005 „nicht nur Wissen vermitteln, sondern ebenso auf die Erziehung und Charakterbildung der Schüler Wert legen“.

Der „katholische Lehrer“ müsse die „Hauptirrlehren unserer Zeit“ erklären, ohne diese „zu loben“ oder gar „anzunehmen“. Schüler müssten sich mit den Lehren von Martin Luther, René Descartes, David Hume, Immanuel Kant, Georg Wilhelm Friedrich Hegel und Jean-Paul Sartre in der Weise beschäftigen, wie sich Medizinstudenten mit Krankheiten beschäftigen: mit dem Ziel, diese Krankheiten dann bekämpfen zu können.

Die haben in Deutschland aktuell 8 Schulen und Kindergärten.

https://fsspx.de/de/schulen-0

Für ihre Bekenntnisschulen beruft sich die Piusbruderschaft auf die Erziehungsenzyklika Divini illius magistri von Papst Pius XI. Es sei wichtig, die Werte der „traditionellen katholischen Kirche“ an Kinder weiterzugeben. Ziel sei es, „frohe, selbstständige junge Menschen heranreifen zu lassen, die gelernt haben, ihr Leben auf der Grundlage christlicher Überzeugung und Selbstbeherrschung zu gestalten.“ Besonderer Wert werde auf „Ehrfurcht vor Gott und den Nächsten, Disziplin, Höflichkeit, Ordnung und die Vermittlung der abendländischen Kultur gelegt“.

Zum Christopher Street Day veranstaltete die Piusbruderschaft am 28. Juli 2007 in Stuttgart eine Gegendemonstration.

Ihre Anhänger versammelten sich mit Protestplakaten mit Aufschriften wie „AIDS – Geißel der Unzucht“ und beteten zur „Wiedergutmachung der Perversion und Übertretung des 6. Gebotes des Dekalogs: ‚Du sollst nicht Unzucht treiben.‘“ öffentlich den Rosenkranz.

Niemand verteidige mehr „die christlichen Werte, wie Familie, Treue, Keuschheit. Dafür müssen unsere Kinder ansehen, wie pervers Erwachsene sein können.“

Auch gegen den CSD am 1. August 2009 in Stuttgart veranstaltete die Piusbruderschaft eine Mahnwache.

In einem ursprünglich auf den Internetseiten der Priesterbruderschaft in Kanada veröffentlichten und inzwischen dort wieder gelöschten Hirtenbrief vom September 2001 sprach sich Richard Williamson gegen höhere Bildung und Selbstbestimmung für Frauen aus:

„Fast kein Mädchen sollte zu irgendeiner Universität gehen. […] Aber wo finden weiterführende Mädchenschulen dann ihrerseits weibliche Lehrkräfte, wenn kein Mädchen mehr ein Studium absolviert? Man braucht keine Universität, um das meiste von dem zu lernen, was Mädchen unterrichtet zu werden brauchen, zum Beispiel Hauswirtschaft, Einrichtung und Unterhalt eines Heims, Pflege und Erziehung der Kinder, die geistige und soziale Vorbereitung auf die Ehe.“

In einer mit den Piusbrüdern verbundenen Schule in Kansas wurde einer Schiedsrichterin die Tätigkeit verboten, da Frauen keine Autorität gegenüber Männern ausüben sollten.

Die COVID-19-Pandemie wird von der Piusbruderschaft als „Lektion Gottes“ interpretiert. Bezüglich der Impfung gegen COVID-19 stellte der Distriktssuperior für Österreich, Stefan Frey, fest, man müsse von einer „moralischen Bedenklichkeit der derzeitigen Covid-Impfung sprechen [...] und [...] mahnen, sich der Impfung nicht zu unterziehen, ausgenommen im Fall einer echten Notlage“.

e“. Die Entwicklung von Impfstoffen, so Frey, hänge mit Abtreibungen zusammen. Wer sich impfen lasse, unterstütze „die abscheulichen Machenschaften einer skrupellosen Pharmaindustrie“.

Was?

Im Mai 2017 wurde Christophe R., ein Priester der Piusbruderschaft, in Frankreich wegen Vergewaltigung von drei Lehrerinnen in einer von den Piusbrüdern geführten Schule bei Paris im Jahr 2010 zu einer Freiheitsstrafe von 16 Jahren verurteilt. Der Fall sei innerhalb der Bruderschaft zwar geahndet, aber nicht an die Justiz gemeldet worden, erklärte Christian Thouvenot, Generalsekretär der Bruderschaft in der Schweiz. Man sei sich der Schwere der Fälle nicht bewusst gewesen.

Ha, ja dann ist ja gut. Man dachte ja er hätte die Frauen nur ein bisschen vergewaltigt, dass er sie ganz viel Vergewaltigt hat, konnte ja keiner ahnen.

Im Jahr 2017 wurde der Walliser Bruderschaftspriester Frédéric A. in Belgien wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern zu drei Jahren Haft verurteilt. Der Justiz war der Fall von Seiten der Bruderschaft nicht gemeldet worden, da Juristen, die die Piusbruderschaft damals berieten, keine Verpflichtung dazu sahen.

Nach einem Bericht der Zeitung Le Temps vom 13. Januar 2024 weist eine Betroffeneninitiative darauf hin, dass es in der Bruderschaft etwa 60 „problematische Priester“ (von insgesamt etwa 600 Priestern) gebe, die in Europa und weltweit straffällig wurden; ein Täter solle in Gabun über 30 Kinder missbraucht haben, im Juni 2023 sei ein Mitglied von einem französischen Gericht wegen Missbrauchs und Übergriffen mit 27 jugendlichen Betroffenen zu einer zwanzigjährigen Haftstrafe verurteilt worden.

Der Religionssoziologe Josselin Tricou (Lausanne) erläuterte, dass die Piusbruderschaft externe Instanzen völlig ablehne, „da sie die Kirche für eine heilige, vollkommene und autarke Gesellschaft hält, die über alles verfügt, was sie braucht, um sich um sich selbst zu kümmern, wie etwa ein Strafrecht oder Gerichte“.

Man sehe sich daher nicht verpflichtet, staatlichen Behörden Rechenschaft abzulegen. Missbrauch in den eigenen Reihen werde Einzeltätern angelastet, systemische Aspekte würden geleugnet.

Der traditionalistische Priester Juan María Fernández y Krohn, der 1982 in Fátima einen gescheiterten Mordanschlag auf Papst Johannes Paul II. verübte, war bereits 1979 wegen „geistiger Instabilität“ und Kritik an Erzbischof Lefebvre aus der Piusbruderschaft ausgeschlossen worden.

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Ärger um eine Diskussionsveranstaltung: Eigentlich sollte es am Dienstagabend im Corvey-Gymnasium die "Lokstedter Gespräche" geben - zur Flüchtlings- und Sozialpolitik.

Oberstufenschüler und -schülerinnen hatten dazu Politiker und Politikerinnen eingeladen, auch von der AfD. Die Veranstaltung wurde aber kurzfristig abgesagt.

Das Corvey-Gymnasium begründet die Absage mit "Sorgen um die Sicherheit der Beteiligten". Schon im Vorfeld hatte es Beschwerden von einzelnen Eltern, Kindern und Jugendlichen gegeben.

Der Grund: Auch der AfD-Bürgerschaftsabgeordnete Alexander Wolf war eingeladen worden. Der hatte auf einem AfD-Parteitag unter anderem von "Deutschlandhassern" gesprochen, die die Grenzen öffnen und das Land verändern wollten.

Die Schule war trotzdem verpflichtet, auch die AfD einzuladen, denn bei solchen Veranstaltungen gilt eine Neutralitätspflicht.

Das allerdings beeindruckte eine Gruppe von Schülern und Schülerinnen nicht. Sie hatten in der "tageszeitung" angekündigt, die Veranstaltung zu stören, wenn der AfD-Vertreter redet. Damit drohte ein Eklat, den die Schule offenbar verhindern wollte.

https://taz.de/Neutralitaetspflicht-in-Hamburger-Schulen/!5997041/

Aus dem Artikel:

Eine Gruppe von Schü­le­r*in­nen aus der Oberstufe will den Auftritt des AfD-Vertreters nach eigener Aussage nicht einfach akzeptieren. Mit Flyern würden sie an der Schule bereits über den AfD-Politiker informieren, sagen sie.

Außerdem fordern sie für Dienstag zum Protest auf. „Wir wollen klare Kante zeigen“, sagt eine Schülerin der taz, die anonym bleiben will. „Am Dienstag planen wir, so viel Lärm zu machen, dass Alexander Wolf auf der Bühne nicht seinen Hass verbreiten kann.“

Die nach eigenen Angaben „rechtskonservative“ „Junge Freiheit“ und die AfD framen das ganze als Einschüchterung durch „linksextreme Antifa“.

Jetzt wird geprüft, wie und wann die "Lokstedter Gespräche" nachgeholt werden können. Die Hamburger Schulbehörde teilte NDR 90,3 dazu mit: "Dass das gesamte politische Spektrum, also alle Parteien der Hamburger Bürgerschaft, auch zum verschobenen Termin eingeladen werden, versteht sich von selbst - wegen des Neutralitätsgebots.

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Attacke mit Messer und Schraubenschlüssel: Der Überfall von Neonazis auf Journalisten im thüringischen Fretterode wird neu verhandelt.

Der sogenannte Fretterode-Prozess um einen Überfall von Neonazis auf zwei Journalisten in Thüringen muss neu aufgerollt werden. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hob das vielfach als skandalös kritisierte Urteil des Landgerichts Mühlhausen am Mittwoch auf. Jetzt muss eine andere Strafkammer des thüringischen Gerichts den Fall noch einmal ganz von vorn verhandeln.

Selten hatte ein Urteil derart umfassend für Empörung gesorgt. Von einem „Schlag ins Gesicht“ aller engagierten Reporter:innen und einem „fatalen Signal an die rechtsextreme Szene“ sprach die Deutsche Journalistinnen- und Journalistenunion in der Gewerkschaft Verdi.

Von einem „Freifahrtschein“ für Neonazis sprach die Grünen-Fraktion im Thüringer Landtag. Und selbst die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, krawalligen Zuspitzungen eher unverdächtig, konstatierte nüchtern einen „Skandal“.

Im April 2018 hatten zwei Männer aus dem Umfeld von Thorsten Heise – der eine sein Sohn, der andere so etwas wie sein politischer Ziehsohn – die beiden Reporter erst im Auto rund um das thüringische Dorf Fretterode gejagt und sie schließlich mit einem Messer und einem gewaltigen Schraubenschlüssel schwer verletzt.

Heise, Bundesvize der NPD (die sich heute „Die Heimat“ nennt), ist seit Jahrzehnten eine der einflussreichsten Figuren des militanten Neonazismus in Deutschland und Europa. Die Journalisten hatten an jenem Tag ein vermutetes Treffen von Rechtsextremen auf Heises Anwesen in Fretterode dokumentieren wollen.

Das Landgericht in Mühlhausen aber zeigte sich verständnisvoll und ließ Heise-Sohn Nordulf H. mit 200 Arbeitsstunden, seinen Gesinnungsgenossen Gianluca B. mit einer zwölfmonatigen Bewährungsstrafe davonkommen.

Nach einjähriger Verhandlung erkannte das Gericht im September 2022 weder einen gezielten Angriff auf die freie Presse noch eine politisch motivierte Tat. Es sei den Angeklagten vorrangig darum gegangen, das Fotografiertwerden zu verhindern, so die Strafkammer.

Vor dem BGH stützten Staatsanwaltschaft und Nebenklage ihre Revisionsanträge vor allem darauf, dass die Neonazis vom strafrechtlich schwerwiegendsten Vorwurf freigesprochen worden waren: dem Raub der Fotoausrüstung.

Das Landgericht hatte das mit widersprüchlichen Angaben der Journalisten begründet: Während der eine von einem Griff durchs Fahrerfenster ihres Autos berichtet hatte, glaubte der andere, den Raub auf der Beifahrerseite beobachtet zu haben.

Dem Vertreter der Bundesanwaltschaft war das zu dünn. Die Beweiswürdigung sei „lückenhaft“ und werde den rechtlichen Anforderungen „nicht ansatzweise gerecht“, sagte er in der Verhandlung.

Nebenklageanwalt Rasmus Kahlen vermisste zudem eine Berücksichtigung des von der Strafkammer angenommenen Tatmotivs. Denn wenn es den Neonazis um ihr Recht am eigenen Bild gegangen sei, warum hätten sie dann ausgerechnet die Fotoausrüstung links liegen lassen sollen? „Dem Urteil“, bilanzierte Kahlen, „mangelt es an Plausibilität.“

Dem schloss sich der 2. Strafsenat des BGH nun an. Die Aussagen von Beteiligten und Zeug:innen würden im Urteil nicht nachvollziehbar wiedergegeben, erklärte Senatsvorsitzende Eva Menges. Und: „Gänzlich unerörtert bleibt die Frage nach dem Verbleib der Kamera.“

Den Revisionsantrag des Angeklagten Nordulf H. wies der Senat dagegen zurück. Obwohl einer der beiden Journalisten einen Messerstich im Bein davongetragen hatte, hatte Szene-Anwalt Wolfram Nahrath einen Messerangriff nicht für erwiesen gehalten.

Außerdem forderte er, seinen Mandanten von den Kosten des Gerichtsverfahrens zu befreien. Richterin Menges erwiderte: Über die Kosten habe der BGH nicht zu entscheiden. Dafür sei das Landgericht in Mühlhausen zuständig. Für die nötige sofortige Beschwerde ist es aber zu spät.

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Ein Lehrer soll an einer Schule in Cottbus Schüler mit Migrationshintergrund geschlagen und getreten haben. Ein Kind musste ins Krankenhaus. Die Polizei prüft auch einen rassistischen Hintergrund.

An einer Schule in Cottbus ist ein Lehrer gegen Schüler mit Migrationshintergrund gewalttätig geworden. Wie der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) am Mittwoch berichtete, wurde einer der Jungen so stark verletzt, dass er stationär in einer Klinik behandelt werden musste. Das Brandenburger Bildungsministerium bestätigte den Vorfall.

Laut Polizei haben die Eltern nach den Vorfällen im September 2023 Anzeige erstattet. Man ermittle deswegen, sagte eine Sprecherin. Auch ein rassistisches Motiv werde geprüft. Beide Jungen waren laut dem Verein Opferperspektive damals zwölf Jahre alt.

Dem RBB-Bericht zufolge bekam ein Schüler vom Lehrer einen Schlag in den Nacken und musste mit einem Halswirbelschleudertrauma ins Krankenhaus. Einen zweiten Schüler soll der Lehrer in den Rücken getreten haben, als dieser einer abfälligen Äußerung des Lehrers über dessen Herkunftsland widersprach

[...]

Joschka Fröschner vom Cottbuser Team des Vereins Opferperspektive betreut seit Bekanntwerden der Übergriffe beide Familien, die eine Fluchtbiografie hätten, wie er berichtete. Es sei den Betroffenen wichtig gewesen, die Gewalt an ihren Kindern öffentlich zu machen, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Beide seien zur Zeit der Vorfälle zwölf Jahre alt gewesen. Die Schule habe sich ihm zufolge bislang geweigert, zu dem Vorfall zu sprechen. Die Kinder gingen weiterhin auf diese Schule. „Mir ist völlig unverständlich, dass es bislang keine Entschuldigung der Schule und des Schulamtes an die Familien gegeben hat, da fehlt mir jegliches Verständnis“.

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Im mittelhessischen Weilburg sollen Nachwuchs-Förster Neonazi-Musik gehört und sogenannte Hitlergrüße gezeigt haben. Umweltminister Jung ist empört.

Gut einen Monat, nachdem mutmaßliche rechte Parolen auf einer Party im Studienzentrum der hessischen Finanzverwaltung in Rotenburg für große Aufregung gesorgt hatten, gibt es einen ähnlichen Verdachtsfall: Im Forstamt im mittelhessischen Weilburg sollen Auszubildende rechtsextreme Parolen skandiert, indizierte Neonazi-Lieder abgespielt und den sogenannten Hitlergruß gezeigt haben.

Wie ein Sprecher des Polizeipräsidiums in Wiesbaden der Frankfurter Rundschau bestätigte, sollen die entsprechenden Szenen sich bei einer internen Party in einem Gebäude des Weilburger Forstamts abgespielt haben, die Forstwirte in Ausbildung in der Nacht auf den 1. März dort gefeiert hatten.

Wie die Polizei mitteilte, soll es im Laufe der vorab angemeldeten Feier zu diversen Sachbeschädigungen gekommen sein. Gegen einige der Anwesenden bestehe zudem der Verdacht, verfassungswidrige Parolen gerufen und verbotene Handzeichen gemacht zu haben. Zuvor hatte bereits der Hessische Rundfunk über den Vorfall berichtet.

Die Polizei ermittelt nun wegen der möglicherweise strafbaren Handlungen. Weil es um rechtsextreme Vorfälle geht, hat die Staatsschutzabteilung der Kriminalpolizei in Weilburg die Arbeit übernommen.

Wie der Polizeisprecher der FR sagte, stünden die Ermittlungen noch ganz am Anfang. Ins Rollen gebracht habe sie ein Mitarbeiter der Forstverwaltung, der von den Vorfällen gehört und sie dann bei der Polizei gemeldet hatte.

Der für Forstwirtschaft zuständige hessische Umweltminister Ingmar Jung (CDU) äußerte sich auf FR-Anfrage mit deutlichen Worten zu dem Vorfall. Er habe die Geschehnisse in Weilburg „mit großem Bedauern und noch größerer Verärgerung zur Kenntnis genommen“, erklärte Jung. Die Vorfälle müssten jetzt lückenlos aufgeklärt und konsequent verfolgt werden.

Sollte der Verdacht sich bestätigen, müsse es auch Konsequenzen geben, sagte Jung. „Rechtsextreme Tendenzen und Einstellungen haben bei uns keinen Platz“, formulierte der Minister.

Gemeinsam mit dem Landesbetrieb Hessenforst werde man jetzt Maßnahmen erarbeiten, um „die Werte unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung noch stärker in die Ausbildung zu integrieren“.

Die Fraktionsvorsitzende der oppositionellen FDP im Landtag, Wiebke Knell, hat unterdessen eine rasche Aufklärung in dem Fall angemahnt. „Der zuständige Minister Ingmar Jung muss seine Ankündigung in die Tat umsetzen, das Geschehen aufklären und Konsequenzen ziehen, sofern sich die Vorwürfe bestätigen“, forderte Knell. Rechtsextreme Einstellungen dürften „vor allem in Einrichtungen des Landes keinen Platz haben“.

Anfang Februar war das Studienzentrum der hessischen Finanzverwaltung in Rotenburg an der Fulda in die Schlagzeilen geraten, weil dort Studierende auf einer internen Party Parolen wie „Ausländer raus“ und „Deutschland den Deutschen“ skandiert haben sollen. Die Ermittlungen dazu laufen derzeit noch.

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Guten Tag,

Mal wieder Berufsschule, mal wieder stoße ich mit den Nazis aus der Nachbarklasse aneinander. Mal wieder haben diese Feiglinge einen Freund von mir abgepasst als ich nicht dabei war. Dieses Mal sogar physisch. Zwar eher leicht durch einen absichtlichen Zusammenstoß im Flur aber die Eskalation steigt erschreckend stark an. (Aufkleber, Beleidigungen, Drohung/Einschüchterung, Sachbeschädigung und jetzt das). Mal wieder haben wir uns an die Schule gewandt und auch wenn unserer Lehrer versucht deren Lehrer zum handeln zu bewegen, bin ich nicht ganz überzeugt das etwas passieren wird. Zumal der "Täter" nach kurzer Beschreibung, auch sofort bekannt war aber scheinbar nichts gemacht wurde bisher. Was ich tun kann und auch tun werde ist ihn, wo es geht, ihn zu begleiten.

Dieses Mal hab ich mich auch an den Rest der Klasse gewandt. Und da hab ich tatsächlich erheblich mehr Rückhalt bekommen als ich gedacht hätte. Viele waren erschrocken darüber was passiert ist und wie schnell und stark die Dinge eskalieren. Einige haben auch direkt ihre Hilfe angeboten. Was mir aber besonders wichtig war, war dass ich meinen Apell raus bringen konnte die Augen offen zu halten und nicht weg zu schauen wenn Dinge weiter eskalieren. Wir sind mehr.

Was ich allerdings tragisch finde ist, dass diese Nazis schienbar meinen Freund als Ziel auserkoren haben. Dabei hab ich ihn erst dazu "angestiftet" aktiv zu werden. Er ist als noch sehr neu in der Szene und hat noch nicht viel Erfahrung mit Schikane und Drohungen und hat dem entsprechend auch Angst.

Wenn jemand Tipps hat nehme ich die gerne an aber auch einfach ein paar nette Worte würden uns schon echt weiterhelfen.

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Der 22-jährige Leon Walter muss in Thüringen plötzlich gegen AfD-Landeschef Björn Höcke antreten. Seinen Wahlkampf werde er nun anpassen – aus Angst vor Neonazi-Attacken.

Erfurt/Greiz – Leon Walter erinnert sich noch gut an den Abend, an dem plötzlich das Gesicht von Björn Höcke auf seinem Handy auftauchte.

Der 22-jährige Politiker moderierte gerade ein Treffen der thüringischen Linksjugend, als das Smartphone brummte. „Ich schaue auf mein Telefon und sehe die Nachricht einer Genossin, die mir einen Screenshot der Zeitungsmeldung geschickt hat. Und die Frage: Ist das dein Wahlkreis?“, erzählt Walter.

Die Meldung zum Screenshot: Thüringens AfD-Chef Björn Höcke tritt zur Landtagswahl in Thüringen überraschend nicht in seinem Heimatkreis Eichsfeld an, sondern in Greiz.

Dort, wo Leon Walter lebt und für die Linke kandidiert. „Es war krass, das zu lesen. Da ist mir das Herz erst mal in die Hose gerutscht“, erzählt Walter. „Mir war direkt klar: Das wird jetzt eine Nummer heftiger.“

Wenn Höcke auftaucht, dann wird es in der Tat heftig. Wer mal bei einer Wahlkampfveranstaltung des Mannes, den man einen Faschisten nennen darf, dabei war, kennt das: Es tauchen Gestalten mit Reichskriegsflaggen auf, Leute, die „Lügenpresse“ rufen und Schlimmeres.

„Höcke wird einen Wahlkampf abliefern mit AfD-Leuten, die überregional aktiv sind“, sagt Linken-Politiker Walter. „Und er wird Unterstützung von Rechtsradikalen aus dem Nazi-Milieu bekommen, das hier sehr stark ist.“

Wie stark das Nazi-Milieu in Ostthüringen ist, konnte man jetzt in Gera sehen. Dort kampieren mit Wohnwagen und Pavillon rund 80 Menschen vor der neu errichteten Flüchtlingsunterkunft.

Brennende Tonnen stehen auf dem Gelände, Reichskriegsflaggen sind gehisst, sagen Zeugen.

Organisiert hatte das der Thüringer Rechtsextremist Christian Klar. Vor Ort sollen Songs der Neonazi-Band „Landser“ gesungen worden sein. Das Protest-Camp ist angemeldet, die Stadtverwaltung hat es offiziell genehmigt.

Eine Klientel wie diese bereitet dem Jungpolitiker Sorgen. „In dem Milieu gibt es Multiplikatoren für Höcke, die werden die politische Konkurrenz einschüchtern“, sagt er.

„Mir war von Anfang an klar, dass ich im Wahlkampf Anfeindungen und Handgreiflichkeiten erfahren werde. Damit habe ich mich abgefunden, das muss ich so nüchtern sagen.“ Doch dass er jetzt direkt gegen Höcke antreten muss, das verändere alles.

„Ich habe meine Wahlkampfpläne und werde die jetzt etwas umstellen müssen“, erklärt Walter.

„Ich werde nicht auf direkte Konfrontation nach rechts gehen, sondern mit meinen eigenen Themen und meinen eigenen Aktionen das konsequent durchziehen. Auch zu meiner eigenen Sicherheit.“

Heißt das, dass er Angst auch vor körperlichen Attacken hat? „Ja“, sagt der Linken-Politiker.

„Ein Beispiel: Die AfD macht ein Marktfest. Man muss schlichtweg sagen: Bei den meisten AfD-Veranstaltungen sind auch gewaltbereite Neonazis nicht weit. Und dann werde ich mich nicht mit einem Infostand daneben stellen, sondern lieber versuchen, mit Leuten an der Haustür über ihre Sorgen ins Gespräch zu kommen.“

Schon als Schüler fing Walter an, sich politisch zu engagieren. Seit sieben Jahren ist er Mitglied der Linken beziehungsweise deren Jugendorganisation.

Schon auf dem Schulhof habe es oft Anfeindungen gegeben. „Da kommen Rechtsextreme zu mir und sagen: Wenn wir Buchenwald wieder aufmachen, bist du der Erste”, erzählt er.

Er wolle sich gegen den Rechtsruck in seiner Heimat stellen und setze im Wahlkampf auf soziale Themen und die Lebensrealitäten der Menschen vor Ort, sagt er.

Gerade die Ostthüringer Dörfer haben ein Problem mit Überalterung. Die Orte sind schlecht ans Verkehrssystem angebunden, eine Busfahrt in Ostthüringen wird schnell zur Odyssee.

„Warum ziehen immer mehr junge Menschen weg? Viele Leute haben sich bei mir gemeldet, die sagen, dass sie keine Perspektiven mehr hier sehen. Ich will eine positive Vision senden und zeigen, wie man Ostthüringen lebenswert machen kann“, sagt Walter.

Die CDU schickt in seinem Wahlkreis Christian Tischner ins Rennen. Der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion konnte 2019 zum zweiten Mal das Direktmandat für den Wahlkreis Greiz II holen.

Walter rechnet sich dennoch Chancen aus, weil er mit seinen Themen hervorsteche. „Tischner und Höcke werden sich um die gleichen Themenkomplexe prügeln: Migration und eine rechte Identitätspolitik“, sagt er.

„Höcke gibt den Diskurs vor und Tischner wird dasselbe sagen wie er, nur ein bisschen abgemildert und mit etwas mehr Lokalpatriotismus, so dass manche Leute aus dem Bürgertum gerade noch nicht verprellt werden.“ Eine Strategie, die er nicht mitmachen wolle.

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Bislang gibt es keine einheitlichen Regeln für den Einsatz von V-Leuten durch die Polizei - anders als beim Verfassungsschutz. Das Bundesjustizministerium bringt nun einen Gesetzentwurf im Kabinett ein. Doch die Pläne sind umstritten.

Sie sind die wohl heikelsten Ermittlungswerkzeuge der Sicherheitsbehörden: die Vertrauenspersonen, auch V-Personen genannt.

Damit gemeint sind keine verdeckten Ermittler, keine eingeschleusten Beamten, sondern Kriminelle oder Extremisten, die von Polizei und Verfassungsschutz angeworben und oftmals bezahlt werden, um den Behörden Insider-Informationen zu liefern und so Straftaten aufzuklären oder zu verhindern.

Beim Verfassungsschutz ist der umstrittene Einsatz von V-Leuten gesetzlich klar geregelt - nicht so bei der deutschen Polizei. Die Bundesregierung möchte dies nun ändern.

Oder besser gesagt: Ein Teil der Ampelkoalition, allen voran das FDP-geführte Bundesjustizministerium, plant, den polizeilichen Spitzeleinsatz mit klaren gesetzlichen Vorgaben strenger zu regeln. So war es auch im Koalitionsvertrag angekündigt worden.

Heute wird Bundesjustizminister Marco Buschmann das "Gesetz zur Regelung des Einsatzes von Verdeckten Ermittlern und Vertrauenspersonen sowie zur Tatprovokation" zur Abstimmung in das Kabinett einbringen.

Zuvor hatte es ordentlich Streit hinter den Kulissen gegeben. Das SPD-geführte Innenministerium beispielsweise fürchtet, dass durch strenge Regeln ein Einsatz von V-Leuten künftig erschwert oder gar unmöglich gemacht werde.

Im aktuellen Gesetzesentwurf heißt es zum Beispiel, dass V-Personen nicht ihren Lebensunterhalt von den Geldzahlungen der Behörden bestreiten können sollen, und dass keine Minderjährigen angeworben werden dürfen.

Außerdem soll der Quelleneinsatz in einem Strafverfahren vorab von einem Gericht überprüft und angeordnet werden müssen.

Falls eine V-Person länger als fünf Jahre eingesetzt werde oder erhebliche Vorstrafen aufweise, müsse ein Einsatz gesondert begründet werden. Wenn ein Spitzel nachweislich lüge oder selbst Straftaten begehe, solle die Zusammenarbeit umgehend beendet werden.

Polizeivertreter äußerten bereits die Sorge, dass mit einem zu strengen Gesetz ein Quellen-Einsatz kaum noch möglich sei. Vor allem die Tatsache, dass künftig Richter vorab über einen Spitzeleinsatz entscheiden sollen und dass Details umfassend dokumentiert werden müssten und später vor Gericht thematisiert werden könnten, wird kritisiert.

"Das wird dazu führen, dass sich keine Person mehr für diese Tätigkeit anbietet und wir dieses Einsatzinstrument nicht mehr nutzen können", sagt etwa Oliver Huth, der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende vom Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK).

Es bestehe eine große Gefahr, dass V-Leute durch die geplanten Berichts- und Dokumentationspflichten enttarnt werden können.

Wie kann das denn sein? Ich dachte es gibt keine Naziprobleme in der Polizei.

Nikolaos Gazeas sieht das anders. Der Strafverteidiger lehrt an der Universität Köln das Recht der Nachrichtendienste. Er hält eine gesetzliche Regelung für längst überfällig. "Der Einsatz von V-Personen kann zu den eingriffsintensivsten Mitteln des Staates zählen, eine gesetzliche Regelung ist daher schon verfassungsrechtlich zwingend", so Gazeas gegenüber WDR und NDR.

Die Sorge, dass durch einen Richtervorbehalt oder Dokumentationspflichten das Ermittlungsinstrument gefährdet sei, kann Gazeas nicht nachvollziehen. "Der Ermittlungsrichter erfährt die Identität der V-Person nicht, wenn er über die Zulässigkeit ihres Einsatzes entscheidet. Das ist eindeutig so im Gesetz geregelt", meint der Strafverteidiger. "Woraus sich hier ein Enttarnungsrisiko ergeben soll, wird nicht aufgezeigt."

Anders als bei der Polizei ist der Einsatz von V-Leuten durch das Bundesamt für Verfassungsschutz bereits seit Jahren gesetzlich und in Dienstvorschriften geregelt.

In den vertraulichen Dokumenten, die WDR und NDR einsehen konnten, steht unter anderem, dass es eine Art Probezeit für angehende V-Personen gibt, um sie auf ihre Zuverlässigkeit zu überprüfen.

Quellen werden zudem formal schriftlich verpflichtet. Die Informanten des Verfassungsschutzes dürfen außerdem keine Vorstrafen in sogenannten Kapitalverbrechen (zum Beispiel schwere Körperverletzungsdelikte oder Sexualstraftaten) haben und müssen psychisch stabil sein.

Die V-Person soll zudem regelmäßig überprüft und mit Hilfe eines speziellen Bewertungssystems beurteilt werden. Auch die Geldzahlungen sind klar geregelt: Diese dürfen nicht als Lebensgrundlage dienen. Die Höhe der Bezahlung orientiert sich hierbei an der Menge und der Qualität der Informationen sowie an der Gefährdung der V-Person.

Der VP-Führer - also der Ansprechpartner des jeweiligen Informanten - soll laut den Richtlinien auch in Erfahrung bringen, ob mit den Geldern des Verfassungsschutzes zum Beispiel terroristische Aktivitäten finanziert werden. Privater Umgang zwischen V-Leuten und Mitarbeitern des Verfassungsschutzes ist untersagt.

Der polizeiliche Einsatz von menschlichen Quellen hingegen ist bundesweit noch nicht einheitlich geregelt: Die Polizeibehörden setzen angeworbene Spitzel meist gemäß internen Dienstvorschriften ein. Und die können von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich ausfallen.

Teilweise wird die Quellenführung bei der Polizei bislang erstaunlich unbürokratisch und locker gehandhabt.

Überraschend.

In der Vergangenheit warfen die Einsätze von V-Leuten daher auch immer wieder Fragen auf - etwa, ob Spitzel durch die Geldzahlungen womöglich zu offensiven Tatprovokationen verleitet werden.

Das baden-württembergische Landeskriminalamt (LKA) etwa setzte in rund 30 Fällen einen arbeitslosen Mann als Quelle ein, samt falscher Identität und falschen Papieren.

Vor Gericht erzählte der Spitzel später, dass er neben seinen Tageshonoraren von rund 100 Euro auch eine Erfolgsprämie bekomme, wenn eine Zielperson am Ende verurteilt werde.

Ein anderer V-Mann-Einsatz wiederum endete tödlich: Ein Informant der Frankfurter Polizei, der im Drogenmilieu eingesetzt war, wurde im Sommer 2022 im südspanischen Marbella zunächst gefoltert und dann ermordet. Offenbar, weil seine Spitzeltätigkeit aufgeflogen war.

Die genauen Hintergründe der Ermordung dieses V-Mannes sind bis heute nicht aufgeklärt. Bis vor Kurzem noch hatte die Staatsanwaltschaft Hanau in diesem Fall ermittelt und auch die für den Spitzel zuständigen Polizeibeamten aus Frankfurt vernommen.

Die Beamten hatten teilweise die Aussage verweigert.

Nach Recherchen von WDR und NDR hatten die Ermittler den Mann jahrelang auf mehrere Rauschgift-Netzwerke angesetzt. Die Beamten stehen im Verdacht, den V-Mann dabei vor Strafverfolgung geschützt zu haben.

Während er für die Frankfurter Polizei spitzelte, beging der V-Mann mutmaßlich selbst Straftaten und organisierte im großen Stil Drogentransporte von Spanien nach Deutschland.

Nach dem neuen Gesetzesentwurf würde ein solcher V-Mann-Einsatz künftig wohl kaum noch möglich sein.

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Ist die AfD ein rechtsextremer Verdachtsfall? Darüber entscheidet ein Gericht – ausgerechnet in Münster, wo die Partei bei der Bundestagswahl ihr schlechtestes Ergebnis einfuhr. Ein Stadtporträt.

Das Oberverwaltungsgericht Münster ist ein unscheinbarer Bau. Wer in der Stadt unterwegs ist, nimmt das Gebäude mit der grauen Fassade kaum wahr.

In diesen Tagen jedoch ist es Schauplatz einer Verhandlung, auf die ganz Deutschland blickt. Ab Dienstag wird hier darüber entschieden, ob der Verfassungsschutz die Alternative für Deutschland (AfD) weiterhin als rechtsextremen Verdachtsfall einstufen darf.

Das heißt konkret: Die Behörde darf nachrichtendienstliche Mittel wie V-Leute einsetzen, um die Partei in Gänze zu beobachten, nicht nur einzelne Landesverbände.

Das hatte das Verwaltungsgericht Köln vor zwei Jahren erlaubt . Die AfD ging in Berufung, nun wird in Münster weiterverhandelt. Die Entscheidung gilt als richtungsweisend für ein mögliches Parteiverbot.

Es hat eine gewisse Ironie, dass das Verfahren mit dem griffigen Namen »Alternative für Deutschland gegen die Bundesrepublik Deutschland« ausgerechnet hier stattfindet.

Denn Münster ist für die AfD alles andere als eine Hochburg. Bei der Bundestagswahl 2021 kam sie hier auf 2,9 Prozent der Zweitstimmen, das schlechteste Ergebnis deutschlandweit.

Nur im Wahlkreis Köln II war die Zahl genauso niedrig. 2017 war Münster sogar der einzige Wahlkreis, in dem die Partei unter fünf Prozent blieb. Also kein gutes Pflaster für die Partei.

Man fragt sich, woran das liegt. Da sind die gängigen Vorurteile: Münster ist eine Studierendenstadt, und die jungen Leute seien nun mal links-grün, so das Klischee. Außerdem gibt es ja noch die vielen Fahrradfahrer: mit Sicherheit auch alles Ökos.

Ganz falsch ist das nicht. Studierende gibt es in Münster tatsächlich viele. Mehr als 62.000 sind es, verteilt auf zehn Hochschulen. Sie fahren viel Fahrrad, und eher links sind sie auch.

Das zeigen die Ergebnisse der Bundestagswahl: Unter den 18- bis 24-Jährigen kommen die Grünen hier auf knapp 45 Prozent. Die AfD hat so wenig Stimmen, dass sie in der Statistik nicht als eigene Partei aufgeführt wird.

An der Universität fällt es der AfD schwer, Fuß zu fassen. Vor einigen Jahren kam das Gerücht auf, jemand wolle eine studentische AfD-Vertretung gründen.

Einige Studierende riefen kurzerhand ein eigenes Bündnis ins Leben, die »Alternative für Dir«, und ließen es als offizielle Hochschulgruppe eintragen. Das Kürzel war besetzt, die Parteianhänger machten einen Rückzieher. Eine AfD-Präsenz gibt es an der Uni bis heute nicht.

Münster wegen der schlechten AfD-Ergebnisse als links zu bezeichnen, ist allerdings schwierig. Es gibt Antifa-Gruppen und eine alternative Szene, wie es in Großstädten eben so ist.

Um offen linke Orte scheint die Stadt aber nicht sonderlich bemüht. Aktuell wird ein Jugendzentrum abgerissen, ein autonomes Zentrum soll an einen Investor aus Berlin verkauft werden. Vonseiten der Stadt gab es keine Initiative, die Orte zu bewahren.

Auch das ist Münster: spießig, bürgerlich und am liebsten so »normal« wie möglich. Es ist eine Großstadt, die oft wirkt wie ein Dorf. Die Region ist katholisch geprägt, konservative Werte sind vielen Menschen wichtig.

Dass Münsteraner am Samstag auf den Markt gehen und am Sonntag in die Kirche, pünktlich um 15 Uhr Kaffee und Kuchen verzehren, dürfte aber nur ein weiteres Klischee sein.

Dass die Parteien der Mitte in Münster sehr stark sind, ist dagegen kein Klischee, sondern ein Fakt. Neben den Grünen, die bei der Bundestagswahl 2021 über alle Altersklassen hinweg 30 Prozent erreichten, kamen auch SPD und CDU jeweils auf mehr als 24 Prozent.

Die Wahlbeteiligung war mit 83,9 Prozent eine der höchsten in Deutschland. Da bleibt nicht viel Raum für die AfD.

Wenn die Partei sich in Münster profilieren will, reagiert die Stadtgemeinschaft schnell. Am 16. Februar protestierten mehr als 30.000 Menschen gegen den Neujahrsempfang des AfD-Kreisverbands.

Zu Gast waren die Bundestagsabgeordneten Peter Boehringer und Martin Reichardt, die innerhalb der Partei als rechte Hardliner gelten. Als die Recherchen von »Correctiv« öffentlich wurden, organisierte ein Bündnis innerhalb weniger Tage eine Kundgebung. Auch die CDU von Münsters Oberbürgermeister Markus Lewe rief in der Vergangenheit zu Protesten gegen die AfD auf.

Man mag nun denken, dass in der Stadt einfach ein besonderer Zusammenhalt herrscht, dass hier Menschen leben, die sich aus unterschiedlichen Gründen von rechtem Gedankengut abgrenzen. Nicht zuletzt ist Münster aber vor allem eins: wohlhabend und strukturstark.

Nur rund zehn Prozent der Münsteraner haben einen Migrationshintergrund, in ganz NRW sind es 30 Prozent.

Der Anteil der Akademiker liegt mit mehr als einem Drittel ebenfalls über dem deutschen Durchschnitt.

Und das Wirtschaftsforschungsinstitut Prognos bescheinigt Münster sehr hohe Zukunftschancen, gemessen an Indikatoren wie Kaufkraft oder Arbeitsplatzdichte.

Die Menschen in der Stadt können sorgloser sein als anderswo. Das bedeutet wenig Angriffsfläche für die AfD. Auch das gehört zur Wahrheit, auch wenn sich manche wünschen, allein der Zusammenhalt der Münsteraner würde die Partei schwächen.

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Je mehr Einfluss die AfD auf kommunaler Ebene gewinnt, desto näher rücken ihre Parteimitglieder an die Aufsichtsratsgremien öffentlicher Unternehmen heran. Denn oft bekommen Bürgermeister und Landräte solche Posten automatisch.

Bürgermeister und Landräte haben nicht nur Entscheidungsbefugnisse, sie sitzen häufig auch automatisch in Aufsichtsräten, wie beispielsweise bei den Sparkassen.

Denn Sparkassen sind kommunale Unternehmen, gehören also den Städten oder Landkreisen. Nun ist die AfD mittlerweile in einigen Kommunen so erfolgreich, dass auch ihre Abgeordneten in diese Posten gelangen.

Noch ist dieser Fall in Bayern zwar nicht eingetreten, angesichts der vielen Landtagswahlen, die heuer noch anstehen, gibt es aber auch im Freistaat eine Debatte darüber, wie sich der Einfluss von AfD-Politikern zum Beispiel auf die Arbeit der Sparkassen auswirken könnte.

Die Aufgabe der Sparkassen ist es, den Unternehmen und den Menschen Finanzdienstleistungen aller Art anzubieten. Die Bürgermeister und Landräte sind da als Vorsitzende des Verwaltungsrates gesetzt.

Das Aufsichtsgremium, in dem noch weitere gewählte Vertreter der Kommunen sitzen, ist unabhängig und parteipolitisch neutral – so schreibt es unter anderem das Bayerische Sparkassengesetz vor.

Trotzdem: Die Geldinstitute haben bei der Besetzung kein Mitspracherecht, so betonte es erst jüngst Ulrich Reuter, der neue Präsident des Deutschen Sparkassenverbandes und ehemalige Chef des bayerischen Verbandes.

Reuter sieht die Sparkassen als öffentlich-rechtliche Geldhäuser deshalb in einer Zwickmühle. Sie müssten nicht nur AfD-Politiker oder -Politikerinnen in ihren Aufsichtsgremien akzeptieren, sie könnten auch die Partei nicht als Kunden ablehnen.

Da die Erfolge der AfD bei Kommunalwahlen noch recht selten sind, gebe es bislang kaum Erfahrungen aus den Verwaltungsräten, betont Reuter. Das könnte sich aber bald ändern.

Denn in diesem Jahr finden in sieben Bundesländern Kommunalwahlen statt, darunter auch in Baden-Württemberg. Bayern ist erst 2026 wieder an der Reihe. Aber auch hier hat die AfD bei der zurückliegenden Landtagswahl zugelegt: In 24 Stimmkreisen des Freistaats bildet sie die zweitstärkste Kraft.

Bundesweit ist die AfD einer Recherche der Zeitung "Die Zeit" zufolge (externer Link, möglicherweise Bezahl-Inhalt) bereits mit hunderten Funktionären in genau solchen Gremien vertreten.

Das betrifft nicht nur die Sparkassen, sondern auch Wohnungsbaubetriebe, Stadtwerke oder Energieversorger.

In all diesen Aufsichtsratsgremien wird über sensible Informationen zu Finanzierungen, langfristigen Planungen und Infrastrukturprojekten gesprochen und verhandelt.

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CDU-Politiker Götz Ulrich setzt sich für Geflüchtete in seinem Wahlkreis ein und wurde dafür bereits mit dem Tod bedroht. Nun veröffentlichte er Pläne der AfD, ihn persönlich zu besuchen.

Im Burgenland-Kreis in Sachsen-Anhalt planen zwei AfD-Landtagsabgeordnete offenbar eine Demonstration direkt am Haus eines CDU-Landrates vorbeizuführen.

Das teilte der CDU-Landrat Götz Ulrich, vor dessen Haus der Aufzug stattfinden soll, dem Kreistag in Naumburg mit. Ulrich zufolge haben die AfD-Politiker Hans-Thomas Tillschneider und Lothar Waehler für den 25. März eine Kundgebung in Bad-Bibra angemeldet. Dort wohnt auch CDU-Politiker Ulrich.

Unter dem Motto »Stoppt den großen Raubzug« wollten die AfD-Politiker zwischen 18 und 21 Uhr Kundgebung durch Bad Bibra ziehen. Dabei führt die Demo-Route genau am Haus des Landrates vorbei und nimmt dafür gar einen kleinen Umweg.

Ein Anmelder der Demo, Hans-Thomas Tillschneider, gilt als Rechtsextremist. Er pflegt enge Kontakte zur rechtsextremen »Identitären Bewegung« und wird vom Verfassungsschutz beobachtet.

Grundsätzlich habe Ulrich gegen die Kundgebung nichts, »Das ist ihr gutes Recht. Das ist ihr Versammlungsgrundrecht«, sagt er im Kreistag.

Die Anmelder der Demo hätten die Route so gewählt, dass sie genau an Ulrichs Haus vorbeiläuft. Der Weg sei so gewählt worden, um Ulrich »einen netten Besuch mit Fahnen, Trompeten, Fußballtröten, Trillerpfeifen, Trommeln und Megafon« abzustatten, so Ulrich weiter.

Dies sei ein Einschüchterungsversuch ihm und seiner Familie gegenüber. Statt die Debatte Kreistag zu suchen, arbeiteten die Abgeordneten der AfD und deren Anhänger mit Hausbesuchen.

»Wir alle wissen, wo solche Instrumente der Einschüchterung, der Repression und der Bedrohung hinführen können«, sagt Ulrich. »Da muss ich nicht einmal die NS-Zeit bedienen. Es genügt ein Blick in das Jahr 2015, in den Burgenlandkreis, nach Tröglitz, mit einer vorbereiteten Flüchtlingsunterkunft.«

2015 hatte es einen Brandanschlag auf eine Geflüchtetenunterkunft in Tröglitz gegeben. Es wurde niemand verletzt.

Zuvor hatten Mitglieder der NPD und Tröglitzer Bürger wöchentliche Aufmärsche durch den Ort abgehalten und dabei auch vor dem Haus des damaligen Bürgermeisters Markus Nieth (parteilos) protestiert.

Dieser sah sich daraufhin gezwungen, sein Amt niederzulegen, um seine Familie zu schützen.

Nach dem Brandanschlag setzte sich Ulrich dafür ein, das Haus zu renovieren und hielt an dem Plan für eine Geflüchtetenunterkunft fest. Schon damals erhielt er, eigenen Angaben zufolge, Morddrohungen.

Ulrich erhielt für seine Äußerung parteiübergreifende Solidarität aus Sachsen-Anhalt. Er kündigte an: »Diesen Nazimethoden werde ich standhalten und weiter für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einstehen, wo immer das erforderlich wird.«

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Der Brandanschlag auf die Stromversorgung des Teslawerks und die Festnahme der früheren RAF-Terroristin Daniela Klette haben ein Schlaglicht auf die linke Szene geworfen. Thüringens Verfassungsschutzchef warnt vor einer Radikalisierung.

Die Warnungen sind deutlich. Thüringens Verfassungsschutzpräsident Stephan Kramer spricht von einer Radikalisierung. Die linksextreme Szene setze die eigene Radikalisierung weiter fort - selbst auf lokaler Ebene.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) betont, die Sicherheitsbehörden hätten den Linksextremismus nie vernachlässigt. "Es ist, ehrlich gesagt, für uns ein Phänomen, was wir in den letzten Jahren schon sehen, dass der Linksradikalismus härter wird, gewaltbereiter und vor solchen Aktionen nicht zurückschreckt, und da muss jetzt hart gehandelt werden."

Der Brandanschlag auf die Stromversorgung der Fabrik des US-Elektroautobauers Tesla und die Festnahme der früheren RAF-Terroristin Daniela Klette sind in diesem Zusammenhang der bisherige Höhepunkt.

Tom Mannewitz forscht seit Jahren zum politischen Extremismus auf beiden Seiten. Er ist Professor an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung und lehrt dort im Bereich politischer Extremismus.

Er sagt: "Die Gewaltorientierung spielt eine immer größere Rolle im Linksextremismus und auch die Bereitschaft, stärkere Gewaltstraftaten auszuüben, höhere oder intensivere Gewaltstraftaten auszuüben. Das hat zugenommen in den verschiedenen linksextremistischen Spektren."

Links bedeute nicht automatisch linksextrem, so Mannewitz. Beim Linksextremismus gehe es um die Bekämpfung demokratischer Strukturen. Laut Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz für das Jahr 2022 stieg das linksextremistische Potenzial um 5,2 Prozent auf rund 36.500 Personen.

Der große Teil sei nicht gewaltorientiert, so Extremismusforscher Mannewitz. Dennoch werde jeder Vierte als gewaltorientiert angesehen.

Der Trend sei aber unverkennbar: "Ich nehme auch an, da wird 2023 kein Ausnahmejahr darstellen. Die Zahlen gehen im Grunde seit einer geraumen Zeit nach oben. Also, es werden immer mehr Linksextremisten."

Zum Vergleich: 38.800 Menschen ordnete der Verfassungsschutz im gleichen Zeitraum dem rechtsextremistischen Spektrum zu, darunter 14.000 gewaltbereite Personen. Auch Mannewitz sieht den Rechtsextremismus als größerer Bedrohung für die Demokratie.

Aber beim Thema innere Sicherheit beobachtet er folgende Entwicklung: Der Linksextremismus gleiche sich immer mehr dem Rechtsextremismus an.

Es gebe eine gewisse Annäherung an das Gewaltstraftatenaufkommen vom Rechtsextremismus, was die Gewaltintensität und die Planungsintensität angehe. Die Neigung nehme zu, härteste Gewalt gegen Menschen und Dinge mit hohem Sachschaden auszuüben.

Mannewitz erinnert an die Gruppe um Lina E., die ein sehr planungsmäßiges Vorgehen hatte, auch nach dem Prozess um die Kerngruppe. Das lasse darauf schließen, so der Extremismusforscher, dass es noch weitere Akteure gebe.

Der Fall Lina E. sorgte bundesweit für Aufsehen: Die Studentin war im vergangenen Jahr wegen teils brutaler Angriffe auf Rechtsextreme zu fünf Jahren und drei Monaten Haft verurteilt worden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Als Reaktion auf die Urteilsverkündung hatte die linksextreme Szene überregional für einen "Tag X" nach Leipzig mobilisiert, ihrem Wohnort. Es kam an mehreren Tagen zu Randalen und Ausschreitungen.

Mannewitz erklärt sich den Zulauf im Linksextremismus mit dem Zulauf bei rechten Parteien: "Wenn es eine starke Berichterstattung über Rechtsextremismus gibt, wenn rechtsextremistische Parteien Zulauf erfahren oder Wahlerfolge einheimsen können. Wenn es rechtsextremistische Demonstrationen gibt, Gewalt gibt. Denken Sie an die sogenannte Flüchtlingskrise 2015/2016. Das waren alles Zeiträume, wo auch der Linksextremismus überaus aktiv gewesen ist. Also, er reagiert in aller Regel."

In diesem Kontext müsste auch der Anschlag auf die Stromversorgung von Tesla in Grünheide gesehen werden. Denn die Klimaschutzbewegung sei ein externer Faktor, so Mannewitz, auf den Teile der deutschen Linksextremismusszene reagieren würden: In verschiedenen Selbstbezichtigungsschreiben sei die Rede von einem "grünen Kapitalismus".

Das spreche im Grunde Bände darüber, dass man versuche, das Wasser, das vom Klimaschutz komme, auf die eigenen Mühlen zu leiten und für den Kampf gegen den Kapitalismus im Grunde zu instrumentalisieren, so Mannewitz.

Thüringens Verfassungsschutzpräsident Stephan Kramer warnt, dass die Hemmschwelle zur Anwendung von Gewalt in der politischen Auseinandersetzung immer weiter sinke. "Waren es gestern noch Aktionen, bei denen die Luft in den Reifen von SUVs abgelassen wurde, sind es heute Brandanschläge gegen die kritische Infrastruktur. Das sind keine Lausbubenstreiche."

Die RAF diene vielen als Vorbild und es werde deutlich, dass im Bereich des Linksextremismus immer häufiger verdeckte Kleingruppen, die europaweit vernetzt seien, die Täter seien.

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Der rechtsextreme Verlag "Der Schelm" hat jahrelang Tausende Bücher mit Judenhass, Holocaustleugnung und anderen rechtsextremen Inhalten verbreitet, darunter auch Hitlers unkommentierte Ausgabe von "Mein Kampf". Dafür müssen sich nun zwei Männer und eine Frau vor dem Oberlandesgericht Dresden verantworten - unter ihnen ein früherer Leipziger NPD-Stadtrat.

Der Verlag vertrieb demnach zwischen 2018 und 2020 im Ausland gedruckte antisemitische Kinderbücher wie der "Giftpilz", eine unkommentierte Ausgabe von Adolf Hitlers "Mein Kampf" und Schriften, in denen NS-Verbrechen geleugnet werden. "Der Giftpilz" erschien erstmals 1938 im Verlag des NS-Propagandablatts "Der Stürmer" des fanatischen Judenhassers Julius Streicher.

Laut Anklage der Bundesanwaltschaft soll der rechtsextremistische Verlag in dem Zeitraum einen Umsatz von mehr als 800.000 Euro erwirtschaftet haben. Im Dezember 2020 wurden bei einer Durchsuchung in Röderaue und Brandenburg volksverhetzende Bücher mit einem Verkaufswert von mehr als 900.000 Euro beschlagnahmt. Die Angeklagten sollen demnach für den Vertrieb und die Lagerhaltung zuständig gewesen sein.

Einer der angeklagten ist Enrico Böhm, ehemaliger NPD-Stadtrat in Leipzig. Er soll nach NDR-Recherchen für Lagerung und Versand der Bücher zuständig gewesen sein, zusammen mit seiner Freundin Annemarie K.. Für die Vereinigung mietete er laut Bundesanwaltschaft Lagerräume in Leipzig an und hatte dort mehrere Tausend im Ausland gedruckte Bücher mit strafrechtlich relevanten Inhalten auf Vorrat. Ein Team des NDR hatte Böhm schon Anfang 2020 gefilmt, wie er offensichtlich Bücher für den "Schelm" über einen Leipziger Paketshop verschickte.

Dem langjährigen NPD-Aktivisten Matthias B. soll laut Bundesanwaltschaft eine "herausgehobene Funktion" in der Vereinigung zugekommen sein. Er betrieb ein Antiquariat in Gröditz. Böhm und Matthias B. wurden 2022 in Leipzig und Röderaue in Sachsen festgenommen und zunächst in Untersuchungshaft genommen. Sie kamen später aber wieder auf freien Fuß.

Als mutmaßlicher Kopf des Verlags gilt der Rechtsextremist Adrian Preißinger, der sich ins Ausland abgesetzt hat. Nach dem 1964 im oberfränkischen Kronach geborenen Mann wird mit internationalem Haftbefehl gefahndet. Er wird in Russland vermutet, von wo aus er über das Internet weiter volksverhetzende Bücher verbreitet. Auf seiner Internetseite wird - offensichtlich zur Verschleierung - eine Adresse in Thailand angegeben.

Preißinger ist auch für die Behörden in Sachsen kein Unbekannter: Das Landgericht Dresden hatte ihn 2002 wegen des Verbreitens von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen, Volksverhetzung und anderer Taten zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt.

Dass der weitere Handel des "Schelm"-Verlags übers Internet mit der volksverhetzenden Propaganda von Deutschland aus nicht unterbunden werden kann, erklärt LKA-Sprecherin Silvaine Reiche mit den eingeschränkten rechtlichen Möglichkeiten. "Der Server ist bei uns nicht gehostet", sagte Reiche MDR SACHSEN. Deshalb hätten die Behörden keinen Zugriff.

Solche Propagandaschriften verfügen laut Verfassungsschutz "im Original und als Nachdruck nach wie vor über eine besondere Ausstrahlungs- und Symbolkraft in der rechtsextremistischen Szene". Dem "Schelm" attestiert der Verfassungsschutz eine "besonders ausgeprägte antisemitische Agitation".

Für den Prozess hat das Oberlandesgericht zunächst neun Verhandlungstermine bis Mitte April angesetzt. Sie finden im Hochsicherheitssaal des Gerichts in Dresden am Hammerweg statt.

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Und schon wieder liegt Otto von Bismarck am Boden. Diesmal ist der Reichskanzler sogar aufs Gesicht gefallen.

Fast liebevoll helfen ein Mann in einem gestreiften Sträflingsanzug und ein bärbeißiger Vollbartträger ihrem Idol wieder hoch – doch es nützt nichts.

Kaum losgelassen, liegt Bismarck wieder im Matsch. Der Wind hat ihn einfach umgefegt.

Diese Szene wiederholt sich noch ein paar Mal, dann haben der Sträfling und der Bärbeißige genug und räumen Bismarck, oder besser gesagt den Aufsteller mit dem einen Quadratmeter großen Konterfei des Mannes mit dem markanten Schnurrbart, beiseite.

Heute muss es für Stephan Stay und seine Mitstreiter wohl ohne Bismarck weitergehen, das Wetter meint es nicht gut mit dem ersten Reichskanzler des Deutschen Reiches.

Diese kuriose Szene hat sich jüngst so in einem Waldstück zwischen Darmstadt und Mühltal (Darmstadt-Dieburg) nahe des Bismarckturms an der B449 zugetragen.

Die Situation, aus der sie entstanden ist, wirkt nicht weniger kurios: Sonntag für Sonntag versammeln sich Stay, der Sträfling, der Bärbeißige und zwei weitere Menschen dort am Straßenrand, schwenken schwarz-weiß-rote Fahnen und wünschen sich das Kaiserreich und die Verfassung von 1871 zurück. Immer von 10 bis 11 Uhr und unter den wachsamen Augen von zwei Streifenpolizisten.

Stay, der die kleinen Kundgebungen Woche für Woche organisiert und ordnungsgemäß bei der Stadt anmeldet, bezeichnet sich und die anderen als "Monarchisten" oder als "Kaisertreue", der Volksmund würde sie einfach Reichsbürger nennen.

Die Bundesrepublik, sogar bereits die Weimarer Republik seien unrechtmäßig ausgerufen worden, Politiker und Behörden ohne Legitimation und der deutsche Pass wertlos, sagen sie. Der Sträflingsanzug soll offenbar die Unterdrückung durch das System symbolisieren.

In Darmstadt und dem benachbarten Mühltal ist die Gruppe längst nicht nur bei Spaziergängern oder vorbeisteuernden Autofahrern Gesprächsthema, immerhin stehen sie bereits seit Anfang Oktober jede Woche dort, bei Wind und Wetter.

Die fünf Reichsbürger sind nicht laut, sie belästigen niemand, sie stehen einfach nur da im Wald und halten ihre Fahnen in den Wind. Man könnte sie für harmlose Spinner halten, wäre der Hintergrund nicht so ernst.

Zu präsent sind zum Beispiel noch die zahlreichen Verhaftungen im Dezember 2022 rund um den Frankfurter Reichsbürger Heinrich XIII. Prinz Reuß, dem vorgeworfen wird, mit Unterstützern auf einen großen bewaffneten Umsturz hingearbeitet zu haben.

"Reichsbürger sind Staatsfeinde und Verfassungsfeinde und somit per se eine Gefahr für eine rechtsstaatliche Demokratie", sagt Experte Oliver Gottwald, der als Rechtspfleger für die Staatanwaltschaft Darmstadt arbeitet und die Reichsbürger-Szene schon seit vielen Jahren beobachtet. Er schult unter anderem Polizei und Behörden im Umgang mit diesen Menschen. Hinzu komme eine steigende Gewaltbereitschaft in der Reichsbürger-Szene.

Für Gottwald eine "logische Konsequenz", schließlich begreifen sich Reichbürger als eine Art "Widerstandskämpfer", die glauben, sich gegen eine "antideutsche Unterdrückung und Verschwörung" auflehnen zu müssen.

Reichsbürger Stay distanziert sich von Gewalt. Er verfolge keine Umsturzpläne. Er hoffe vielmehr auf "einen Prozess, der aus der Gesellschaft wächst", sagt er dem hr.

Er möchte auch nicht in die Nähe von Rechtsextremen gerückt werden, mit Nazis will er nichts zu tun haben. Hitler mag er nicht. "Ich bin Hesse", sagt Stay, und Hitler habe ihn "meiner Staatsangehörigkeit beraubt". Er wolle nur seine "Heimat heilen", beteuert er. Das klingt schräg, aber im Grunde harmlos.

Ist es aber nicht, sagt Gottwald. "Reichsbürger sind nicht automatisch Rechtsextreme oder Rassisten, die Ideologie hat ihre Grundlagen aber in den Theorien der Rechtsterroristen und Holocaustleugner Horst Mahler und Manfred Roeder", erklärt der Rechtspfleger.

Die Reichsbürgerideologie sei im Grunde eine antisemitische und gebietsrevisionistische Verschwörungsideologie, die klar dem rechtsextremen Spektrum zugeordnet werden kann. "Es ist aber nicht allen in der Reichsbürgerszene bewusst, dass sie da antisemitische Thesen verbreiten." Es gebe viele Mitläufer in der Szene.

Dazu zähle wohl auch die kleine Gruppe im Darmstädter Wald, harmlos sei sie deswegen noch lange nicht. Denn durch ihre Forderungen helfe das Quintett bei der Verbreitung eben jener antisemitischen und rechtsextremen Ansichten – auch wenn das gar nicht ihre Absicht zu sein scheint.

Wie nah die Reichsbürgerszene dem Rechtsextremismus steht, zeigt laut Gottwald auch der Umstand, dass Reichsbürger vor allem dort zu finden seien, "wo Parteien der extremen Rechten wie die AfD, der Dritte Weg oder die Heimat hohe Wahlergebnisse erzielen".

Das kann zu konkreter Gefahr führen, wie der Fall Prinz Reuß gezeigt hat. Unter seinen Mitstreitern waren etwa Angehörige der Spezialkräfte der Bundeswehr, Polizisten und eine ehemalige AfD-Abgeordnete mit Zutritt zum Bundestag. "Man muss damit rechnen, dass er irgendwann einmal zu Todesfällen durch die Reichsbürger kommt", sagt Gottwald.

In Darmstadt sieht man diese Gefahr aktuell noch nicht. Die Polizei fährt jeden Sonntag raus zum Bismarckturm, um zu schauen, ob auch nur die Fahnen und Transparente gezeigt werden, die erlaubt sind und nicht etwa verbotene Flugblätter verteilt werden. Die Stadt will ihnen nicht mehr Aufmerksamkeit schenken als nötig, wie Ordnungsdezernent Paul Wandrey (CDU) sagt.

In Mühltal, wo die fünf Reichsbürger ihre ersten Kundgebungen abhielten, trafen sie allerdings auf Gegenwehr. Dort organisierte Linda Frey im Herbst einen Gegenprotest. "Wir konnten einfach nicht zulassen, dass dort Reichsbürger demonstrieren und niemand etwas dagegen tut", sagt die Grünen-Politikerin.

Daraufhin flüchteten Stay und seine Mitstreiter auf die nur wenige hundert Meter entfernte Darmstädter Seite der Stadtgrenze im Wald, wo sie seitdem in der Nähe des symbolträchtigen Bismarckturms nahezu unbehelligt ihre kruden Ansichten verbreiten dürfen. Mit oder ohne Bismarck.

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Muss die niedersächsische Landesregierung der AfD Vornamen von Tatverdächtigen nennen, die in der Silvesternacht 2022/2023 auffällig geworden sind?

Das ist die Frage, mit der sich der Staatsgerichtshof in Bückeburg am Montag auseinanderzusetzen hatte. Genauer: Ob die Informationsrechte des AfD-Abgeordneten Stephan Bothe verletzt wurden, als sich das Innenministerium weigerte, diese Information herauszurücken.

Die Landesregierung argumentiert damit, dass hier schutzwürdige Interessen Dritter berührt werden: Immerhin kursierten nach den Silvesterkrawallen bereits so einige Informationen und Berichte – in sozialen Medien, in traditionellen Medien, aber auch im Parlament. Eine kleine Anfrage der CDU-Abgeordneten Saskia Buschmann hatte man ja durchaus beantwortet.

34 Angriffe an 22 Orten sind darin verzeichnet, 18 verletzte Einsatzkräfte, 35 Tatverdächtige samt ihrer Staatsangehörigkeit. 19 dieser Tatverdächtigen verfügten allerdings über die deutsche Staatsangehörigkeit – und von denen wollte Bothe nun in einer ergänzenden Anfrage die Vornamen wissen.

Zu riskant findet die Landesregierung, vertreten durch Staatssekretär Stephan Manke (SPD), immer noch. Die Persönlichkeitsrechte, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, die Unschuldsvermutung – all das wiege schwerer als das Auskunftsinteresse des Abgeordneten.

Vor allem in der Zusammenschau mit den anderen Informationen sei die Gefahr groß, dass einzelne Tatverdächtige identifizierbar würden oder Unschuldige, die zufällig den gleichen Vornamen trügen, unter die Räder gerieten.

Auch von einer vertraulichen Unterrichtung hatte man abgesehen: Die sei ja schon deshalb nicht geeignet, weil der Abgeordnete Bothe die Information für die politische Debatte begehre, sagte Manke. Mit anderen Worten: Wenn er die Namen nicht öffentlich verwerten könne, könne er auch nichts damit anfangen.

Diese Deutung weist der AfD-Anwalt Sören Hauptstein allerdings zurück: Das politische Handeln eines Abgeordneten derart zu bewerten, stünde der Landesregierung nicht zu.

Immerhin hätte Bothe ja möglicherweise auch Präventionsmaßnahmen, Sozialarbeit oder Ähnliches aus den Erkenntnissen ableiten können.

Die Vornamen sollten eine genauere „Milieu-Zuordnung“ ermöglichen.

Wie genau das aussehen könnte, Sozialarbeit nach Vornamen, blieb allerdings unklar. Überhaupt hält der AfD-Anwalt die Identifizierungsgefahr für viel geringer als die Landesregierung und beharrt weiter darauf, man könnte die Auskunft ja wenigstens vertraulich erteilen.

Man habe hier nicht über die Gründe für das Auskunftsbegehren oder die politische Bewertung zu entscheiden, betonte der Präsident des niedersächsischen Staatsgerichtshof, Wilhelm Mestwerdt – wohl auch mit Blick auf die Schulklasse, die hinten im Gerichtssaal saß. Es gehe allein darum, ob die rechtliche Abwägung und die Pro­gnose der Landesregierung zum Zeitpunkt der Entscheidung korrekt gewesen sei.

Ähnliche Anfragen stellt die AfD immer wieder – und in anderen Bundesländern wird das durchaus unterschiedlich gehandhabt: In manchen Fällen sind Vornamen mitgeteilt worden – in NRW zum Beispiel, wo es allerdings um Messerangriffe ging, mit sehr viel mehr Tatverdächtigen, einen längeren Zeitraum und ohne Ortsnamen.

In Berlin war eine entsprechende Auskunft zu Silvester im vergangenen Jahr vom Senat ebenfalls verweigert worden – da lehnte das Verfassungsgericht allerdings auch gleich die Zulassung einer AfD-Klage rundheraus ab. In Bückeburg macht man sich das nicht so einfach, ein Urteil wird es am 2. Mai geben.

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Einige Urlauber und Einheimische, die am Warener Müritzufer spazierten, wunderten sich über Gebrüll und Polizeiaufgebot.

"Es war nie vorbei", sagte Warens ehemaliger Bürgermeister Günter Rhein über den Rechtsextremismus im Land und auch in Waren. Rhein gehörte zu der bunten Gruppe von Menschen, die sich am Sonntag am Warener Kietz versammelten, um lautstark gegen Anhänger der Neuen Stärke Partei zu demonstrieren.

"Zurück zu unseren Traditionen" lautete das Motto für die angemeldete Veranstaltung der Gruppierung. Etwa 12 Anhänger waren am Sonntag vor Ort.

Da hat man aber alle Kräfte zusammengekratzt

Mit dabei war auch Christian Worch. Der 67-Jährige gilt als einer der führenden Kader der deutschen Neonazi-Szene. Worch war Funktionär verschiedener rechtsextremer Gruppierungen und Parteien sowie Organisator und Redner bei einer Vielzahl von Neonazi-Demonstrationen. Er sprach jetzt auch in Waren.

Mitglieder der rechtsextremen Gruppierung Neue Stärke Partei hatten in der Vergangenheit mehrfach Veranstaltungen gestört und auch den Präsidenten der Stadtvertretung, Rüdiger Prehn (Die Linke) bei einer Gedenkveranstaltung angegriffen, sowie einen Pressevertreter.

Auch am Rande der jüngsten Veranstaltung des Warener Demokratiebündnisses fiel ein Mitglied der Neuen Stärke Partei auf.

Nach Informationen des Nordkurier hatte die Polizei ein Platzverbot für die Gruppe ausgesprochen. Weil sich einer der Gruppe den Anweisungen der Beamten widersetzte, wurde er festgenommen und abtransportiert.

Die Neue Stärke Partei (NSP) wurde im Mai 2021 in Erfurt gegründet. Vorsitzender ist der Warener Christoph Thews. Wie es im 2023 veröffentlichen Verfassungsschutzbericht von MV heißt, vertreten die Mitglieder der NSP eine biologisch-rassistische und eine der Ideologie des Nationalsozialismus nahestehende Weltanschauung. "Die NSP widerspricht somit offen der in Deutschland geltenden freiheitlich demokratischen Grundordnung", heißt es weiter.

In Kreisen der Antifa wird die Neue Stärke Partei kritisch beobachtet, allerdings auch mit viel Spott "Es ist die zerstrittene Naziresterampe aus gescheiterten Personen, die vorher in anderen Gruppen wie der NPD oder dem Dritten Weg waren", sagte ein Sprecher in Waren.

Die weiß-rote Fahne der NSP lag nicht lange auf dem Ehrenmal am Kietz. Einer der Gegendemonstranten nahm sie in einem Moment der Unachtsamkeit mit und haute ab.

Dass in Waren nach wie vor Rechtsextreme ihre Parolen rufen, erschüttere ihn, sagte Günter Rhein. Nach der Wende habe er gehofft, dass die Menschen mit der wiedererlangten Freiheit vernünftig umgehen würden.

"Ich bin Nachkriegskind und habe von meinem Vater mitbekommen, dass man dafür sorgen soll, dass es nie wieder passiert, dass sich Menschen in Krisen von Rattenfängern vom eigentlichen Sinn des Lebens abbringen lassen und sich über andere Menschen stellen", sagte Rhein.

Der langjährige Warener Bürgermeister gehört zu den Unterstützern des neu gegründeten Demokratiebündnisses und wird dort auch als Redner sprechen. Neben Rhein gab es auch weitere bekannte Persönlichkeiten, die an der Gegendemo teilnahmen, darunter Rüdiger Prehn, Sebastian Paetsch und Martin Brümmer.

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